Werner bringt neue Qualität in den DFB-Angriff
Der Leipziger Stürmer geht Wege in der Offensive von Joachim Löw, wie sie kein Mitspieler anbietet.
STUTTGART Lars Lagerbäck hatte allerhand damit zu tun, das 0:6 zu erklären. Sein Team hatte sich von der deutschen Nationalmannschaft an die Wand spielen lassen und somit die letzte Chance auf die WM-Qualifikation verstreichen lassen. Der schwedische Trainer der Norweger kam dabei zum Schluss: „Deutschland hat die beste Offensive der Welt. Sie können auf allen Saiten der Gitarre spielen.“Dass seine Mannschaft dabei schlecht verteidigt hatte, wollte Lagerbäck nicht verhehlen, aber „bei dieser Klasse ist es auch sehr schwer“. Und so war das klare Ergebnis auch Zeugnis davon, mit welcher Macht die Elf von Joachim Löw einen Gegner überrollen kann, wenn der zu einfache Fehler macht. Mann des Tages war dabei Timo Werner. Er steht für eine neue Qualität im deutschen Sturm.
Der Bundestrainer war naturgemäß sehr zufrieden mit dem, was er gesehen hatte. „Wir haben von Anfang an viel Druck gemacht, eine hohe Dynamik ins Spiel gebracht und Zug zum Tor gezeigt“, sagte Löw. Die geforderte Mischung aus variabler Offensive und kontrolliertem Rückzug war zu sehen. Allerdings verhielt sich Norwegen eben wie das Kaninchen vor der Schlange und ließ sich dann auch widerstandslos verschlingen.
Mann des Spiels war zweifelsohne Timo Werner. Sportlich waren die zwei Tore die konsequente Fortsetzung seiner Entwicklung in der Nationalmannschaft. Menschlich dürfte ihm die vom Bundestrainer verordnete Lobhudelei des Stuttgarter Publikums gutgetan haben. „Ich bin einfach froh, dass ich dem Publikum und dem Trainer mit meinen Toren etwas zurückgeben konnte“, sagte der 21-Jährige. Wer- ner ist bei großen Teilen deutscher Fußballfans in Ungnade gefallen. Die Initialzündung dafür lieferte der Ex-Stuttgarter mit einer Schwalbe in der Bundesliga im Dezember 2016. Als Katalysator dient zudem, dass Werner in Diensten von RB Leipzig steht, dem von Traditionalisten abgelehnten Fußballprojekt. Nun gab es lautstarke Sprechchöre für den Stürmer. Wer aber glaubt, dass sich dieses Thema für Werner in der Liga erledigt hat, dürfte falsch liegen. Die Überschneidungsmasse der Zuschauer bei DFB-Länderspielen und bei Partien in der Bundesliga ist sehr gering.
Löw wollte dieses Streitthema aber als „mit Sicherheit“abgehakt sehen. Der Bundestrainer hatte auch so vehement Fairness im Umgang mit dem gebürtigen Stuttgarter gefordert, weil Werner fester Bestandteil der Planungen von Löw ist. Werner bringt eine andere Qualität ins deutsche Spiel. „Er hat diesen absoluten Zug zum Tor“, sagt Löw. „Er ist immer an vorderster Stelle, schafft dadurch auch Räume. Ich hoffe, dass er seine Laufwege in Zukunft so beibehält. Das ist schon klasse.“Es ist auch das Eingeständnis, dass die „Falsche Neun“- also das System mit einer spielerischen, hängenden Spitze – kaum noch eine Rolle in den Gedankenspielen von Löw einnimmt. Werner bringt die gewünschte Tiefe ins deutsche Spiel. Egal, ob im 4-2-3-1 oder im 35-2. Die Verteidiger müssen darauf achten, dass er den Ball nicht in den Fuß bekommt, sonst ist er weg – wie beim 1:0 gegen Tschechien. Zudem hat er einen Strafraumriecher und ist kopfballstark, wie beim 3:0 und 4:0 gegen Norwegen.
Generell bestätigten alle Tore die These von Coach Lagerbäck. Dreimal war Deutschland per Kopf erfolgreich, dreimal mit dem Fuß. Allen Toren ging voraus, dass sich die DFB-Elf hinter die norwegische Abwehr kombinierte. Sei es mit langen Diagonalbällen oder kurzen Passstafetten. Löws Fazit lautete deshalb: „Hier in Stuttgart haben wir erlebt, wie schön Fußball sein kann.“Und wie denkbar einfach er sein kann, wenn es kaum Gegenwehr gibt.