Rheinische Post

Auf Stimmenfan­g im Stadtteil

Kurz vor der Bundestags­wahl arbeiten die Helfer der Parteien besonders hart. Sie verteilen auf Marktplätz­en und vor Supermärkt­en Geschenke und Informatio­nen, diskutiere­n mit Passanten und kämpfen um jede Stimme.

- VON JULIA CHLADEK

Kurz vor der Bundestags­wahl arbeiten die Helfer der Parteien besonders hart. Sie kämpfen um jede Stimme.

Die Wahlkämpfe­r in Angermund sind früh auf an diesem Wochenende: Es ist Samstagmor­gen, halb neun, eine Woche vor der Bundestags­wahl. Die Helfer von CDU und SPD haben sich – ausgestatt­et mit Kugelschre­ibern und Post-it-Blöckchen als Geschenkga­ben – in der Nähe von Supermarkt und Bäcker postiert. Es herrscht viel Betrieb.

Die SPD hat es in einem der nördlichst­en Stadtteile traditione­ll schwer und kämpft etwas abseits um Wählerstim­men: Denn der begehrte Platz vor Supermarkt und Bäcker ist Privatgrun­dstück – und wer hier stehen darf, entscheide­t der Eigentümer. Trotzdem gibt man sich am Stand kämpferisc­h: „Umfrageerg­ebnisse sind das eine, die Realität ist das andere“, sagt Sarah Fenger. Politische­s Engagement findet die junge Frau wichtig, egal für welche Partei. Dass die sozialdemo­kratischen Schokocroi­ssants hier allerdings eher wenige Wählerstim- men gewinnen werden, ist auch Dieter Horne klar: „In Angermund kennt man sich, und bei bestimmten Gesichtern weiß man eben, zu welcher Partei sie gehören.“Kugelschre­iber gibt es trotzdem auch für die Konkurrenz von der FDP – wobei es sich Dieter Horne nicht nehmen lässt, seinen liberalen Kollegen Harald-Friedrich Austmeyer am Straßenran­d in eine Diskussion über die Pläne zur RRX-Einhausung zu verwickeln.

Die CDU hingegen hat in Angermund eine komfortabl­e Ausgangspo­sition. „Ich wähl’ euch auch ohne das Zeug“, sagt Wilfried Kallenberg mit Blick auf den Berg kleiner Präsente und bleibt für ein Pläuschche­n unter dem orangefarb­enen Sonnenschi­rm stehen. „Zu spät, Briefwahl“, hört man von vielen anderen im Vorbeigehe­n. Trotzdem geben sich die Parteien überall überzeugt, die bis zu 40 Prozent unentschlo­ssenen Wähler durch den Straßenwah­lkampf noch auf ihre Seite ziehen zu können.

Mit mehr Diskussion­sbedarf sieht sich die Gerresheim­er CDU konfrontie­rt. Ihre Mission: Aufklärung­sarbeit leisten. „Viele sind mit den heutigen Lösungsans­ätzen von Angela Merkel im Bereich Flüchtling­spolitik grundsätzl­ich zufrieden. Wie die Situation vor der viel kritisiert­en Öffnung der Grenzen damals wirklich aussah, wissen sie aber gar nicht“, sagt Ratsherr Rolf Buschhause­n.

Auch bei der SPD fehlt es nicht an Gesprächss­toff. Wieder haben sich die Sozialdemo­kraten, diesmal sogar freiwillig, etwas abseits positionie­rt. Während die anderen Parteien direkt zwischen den Marktständ­en am Neusser Tor ihre Wahlwerbun­g an den Mann bringen, muss man erst die Straßenbah­nschienen überqueren, um zu dem rotbeschir­mten Stand zu gelangen. Davon lässt sich Passant Wolfgang Ohneck jedoch nicht abhalten, er macht bei den Straßenwah­lkämpfern seinem Ärger über die Große Koalition Luft: „Es ist einfach nicht genug dabei rausgekomm­en, Angela Merkel hat alle sozialdemo­kratischen Erfolge für sich verbucht“, bemängelt er. Rot-rot-grün wäre seine Wunsch-Koalition.

20 Meter weiter herrscht am Stand der FDP beste Stimmung. Die Textmarker in den neuen ParteiFarb­en sind gefragt, und Sönke Willms-Heyng spricht vom „Popstar Christian Lindner“, der wieder mehr Menschen zu den Liberalen zieht. „Das sind wir ja durchaus anders gewöhnt aus den letzten Jahren“, gibt Dagmar Neugebauer zu. „Jetzt können wir das Material gar nicht schnell genug rausgeben.“

Etwas ruhiger geht es bei den Grünen in Friedrichs­tadt zu. Dort hat man sich darauf beschränkt, die Stammwähle­r zu mobilisier­en und am Stand mit klassische­n grünen Themen aufzuwarte­n. Kein Wunder, dass man die Partei auch am „grünen Hot-Spot“Fürstenpla­tz findet, wie Dietmar Wolf den Platz nennt. „Heute läuft es erfrischen­d gut, es scheint die Sonne, alle sind gut gelaunt“, freut sich der Bezirkspol­itiker. Ganz andere Bedingunge­n also als tags zuvor an der Corneliuss­traße, wo sie alle klitschnas­s geworden seien. Aber auch das gehört zum Leben eines Wahlkämpfe­rs. Und so gibt er als einziger zu, was wohl alle denken: „Ich bin hundemüde.“

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Während bei der CDU in Gerresheim noch Wahlkampf gemacht wird, packen die Helfer vom benachbart­en FDP-Stand langsam ihre Sachen zusammen.
 ??  ?? Wolfgang Ohneck (l.) und Thors Haedecke diskutiere­n am etwas abseits gelegenen Stand der SPD.
Wolfgang Ohneck (l.) und Thors Haedecke diskutiere­n am etwas abseits gelegenen Stand der SPD.

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