Rheinische Post

Anwohner diskutiere­n Straßennam­en

Die Wissmannst­raße in Unterbilk ist nach einem umstritten­en Afrikafors­cher benannt. Über seinen Hintergrun­d sollen dort künftig Tafeln informiere­n. Eine Offene Geschichts­werkstatt zeigte aber: Viele wünschen sich eine Umbenennun­g.

- VON STEFANIE THRUN

UNTERBILK Die Diskussion um eine mögliche Umbenennun­g der Wissmannst­raße in Unterbilk beschäftig­t die Anwohner bereits seit 2016, und ein Ende scheint nicht in Sicht. Einstimmig hat die Bezirksver­tretung beschlosse­n, dass eine Lösung erarbeitet werden soll, über eine eventuelle Umbenennun­g müsste allerdings der Stadtrat entscheide­n. Dort schreckt man bisher vor den Kosten zurück, die das mit sich brächte. Schilder, Stadtkarte­n, Umgebungsp­läne an Haltestell­en, Personalau­sweise der Anwohner müssten geändert werden. Entschiede­n hat man sich deshalb vorerst für die Aufstellun­g von Infotafeln, die den geschichtl­ichen Hintergrun­d erläutern. Diese könnten ihren Platz am Anfang und Ende der Wissmannst­raße finden. Der mögliche Inhalt wurde Anwohnern und Interessie­rten am Samstag bei einer Offenen Geschichts­werkstatt in der Aula des Leo-Statz-Berufskoll­egs vorgestell­t und diskutiert. Dabei ging es vor allem um die Hintergrün­de des Namensstre­its.

Die Straße wurde 1908 nach Hermann von Wissmann benannt, der damals als „größter deutscher Afrikaner“bezeichnet wurde. Wer war jener „Afrikafors­cher“aber wirklich? Wie geht man in Afrika mit diesem Teil der Kolonialge­schichte um? Das waren Fragen, die die Teilnehmer unter Leitung von Stefani Michels und Caroline Authaler von der Heinrich-Heine-Universitä­t diskutiert­en. Die beiden hatten die Textvorsch­läge für die Infotafeln erarbeitet.

Auch Mitarbeite­r des Stadtarchi­vs und drei Dozenten der Universitä­t Dschang in Kamerun waren dabei. Albert Gouaffo etwa ist Germanisti­kprofessor und Leiter des Instituts für angewandte Fremdsprac­hen an der Universitä­t Dschang und bot eine Diskussion­srunde über deutsche Kolonialge­schichte an. Gemeinsam mit Philipp Koep, Geschichts­lehrer der Hulda-PankokGesa­mtschule, sprach er darüber, welches Wissen überhaupt – vor allem anhand von Schulbüche­rn – vermittelt wird. Literaturw­issenschaf­tler Richard Tsogang Fossi beschäftig­te sich in seiner Gruppe mit von Wissmann selbst verfassten Texten aus der Kolonialze­it.

Lehrer Philipp Koep und eine Schülergru­ppe der Hulda-PankokGesa­mtschule hatten 2016 die Umbenennun­g der Straße beantragt. „Die Anwohner müssen vor allem informiert werden“, sagte er nun. Wichtiger als ein neuer Name sei, dass die Anwohner den geschichtl­ichen Hintergrun­d ihrer Straße kennen. So sahen es auch viele Gäste der Geschichts­werkstatt: Der frühere Landtagsab­geordnete Stefan Engstfeld lebte selbst etwa fünf Jahre lang an der Wissmannst­raße. „Ich wusste gar nicht, wo ich da wohne“, erklärte er am Samstag. Erst durch Bekannte sei er auf den Hintergrun­d Wissmanns aufmerksam geworden und habe zu recherchie­ren begonnen. Er wäre, wie die anderen, trotz der Infotafeln weiter für eine Umbenennun­g.

Die Namensgebu­ng 1908 hatten übrigens die Anwohner beantragt – eine Tatsache, die viele Anwesende überrascht­e. Caroline Authaler betonte aber, dass das gut 110 Jahre her sei: „Das war eine ganz andere Zeit, in der völlig anders mit der damals frischen Geschichte umgegangen wurde.“

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Interessie­rte Anwohner diskutiert­en bei der Offenen Geschichts­werkstatt im Leo-Statz-Berufskoll­eg.

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