Rheinische Post

Besuch in den Hochburgen der Parteien

Die Volksparte­ien CDU und SPD haben auch in Düsseldorf viele Wähler verloren. Es gibt aber auch noch Stadtteile, in denen sie stark sind. Und die liegen fast nebeneinan­der: Kalkum und Lichtenbro­ich.

- VON LAURA IHME

Es geht geschäftig zu am Freitagvor­mittag im Einkaufsze­ntrum in Lichtenbro­ich: Eine Mutter mit Kinderwage­n kommt gerade aus dem Supermarkt, zwei junge Männer laufen mit Brötchtent­üte die Straße entlang und Kinder, die das Glück hatten, schon früh schulfrei zu haben, schlängeln sich an zu langsam Laufenden vorbei. Das hier, also Lichtenbro­ich, ist Hochburg der SPD: Bei der Bundestags­wahl holte die Partei 29,5 Prozent der Zweitstimm­en. Das ist Bestwert im gesamten Stadtgebie­t. Woran liegt das?

Das sei hier eben eine alte Arbeitersi­edlung, sagt ein älterer Herr, der gerade mit dem Fahrrad unterwegs ist. „Früher, als Lichtenbro­ich entstanden ist, haben hier nur Arbeiter mit ihren Familien gelebt. Die waren im Mercedes-Werk beschäftig­t“, sagt er. Und wer noch hier lebe, der sei auch noch SPD-Wähler. Aus Tradition. Der 75-Jährige lebt seit den 60ern in Lichtenbro­ich. Damals sah der Stadtteil im Norden ganz anders aus, ländlicher. „Als ich klein war, gab es nur ein paar Bauernhäus­er hier, der Rest war Feld“, sagt Gisela Jüttner. Sie lebt im benachbart­en Unterrath, kennt Lichtenbro­ich aber gut. Dann seien die ersten Siedlungen entstan- den, für Mitarbeite­r von Mercedes oder von der Post, die im Stadtteil auch Häuser kaufte. Einige Alteingese­ssene aus dieser Zeit gebe es noch, „ein Großteil der Anwohner arbeitet heute am Flughafen“, sagt Jüttner.

Der Flughafen – er ist meist mehr Fluch denn Segen für die Lichtenbro­icher. Auf dem Weg in den Stadtteil reiht sich Parkfirma an Parkfirma, Urlauber stellen bei ihnen ihre Autos für die Zeit der Reise ab. Wer keinen Parkservic­e bezahlen möchte, steht im Stadtteil – ein Ärgernis für die Bürger. Außerdem haben sich unter anderem wegen der Nähe zum Airport viele Firmen dort niedergela­ssen, es gibt mehr Gewerbe- als Wohnfläche. Das engt das Viertel mit den rund 6000 Einwohnern ein.

Auf der anderen Seite des Flughafens liegt der Stadtteil Kalkum: Die dörflichen Straßen des nur knapp 2000 Einwohner zählenden Stadtteils sind am Vormittag verwaist, die Auffahrten der kleinen und großen Einfamilie­nhäuser leer, die Bewohner unterwegs, arbeiten oder einkaufen. Es ist ruhig, ordentlich, in einem der Gärten wird der Rasen gemäht. An einer Einfahrt ist ein Schild angebracht „Betteln und hausieren verboten“, steht dort in verschnörk­elter Schreibsch­rift. Es ist niemand da, um zu betteln oder zu hausieren.

Kalkum ist Hochburg der CDU. Hier gaben rund 44,2 Prozent der Wähler ihre Zweitstimm­e der Union, das ist Spitze in Düsseldorf. „Die Menschen hier leben in soliden Verhältnis­sen. Die wollen sie beibehalte­n, deshalb wählen sie die Partei, die für diesen Erhalt steht“, sagt Elisabeth Brackmann. Sie lebt seit 35 Jahren in Kalkum und hat ihr Kreuz für die Union gemacht. „Obwohl ich finde, dass Angela Merkel langsam aufhören sollte“, sagt sie.

Nicht ganz zufrieden mit der Politik ist auch der 75-Jährige in Lichtenbro­ich: „Natürlich habe ich mein Kreuz bei der SPD gemacht. Ich bin durch und durch ein SPD-Mann“, sagt er. Aber die Sozialdemo­kraten hätten auch viel falsch gemacht in den vergangene­n Jahren. Einige Defizite machten sich auch in seinem Stadtteil bemerkbar: „Die Mietpreisb­remse hat doch überhaupt nicht funktionie­rt. Nicht einmal hier ist es noch günstig“, sagt er. Altersarmu­t sei ebenso ein Thema, die Flüchtling­spolitik der Kanzlerin habe ihn verärgert. Doch mit der Politik sei es eben wie mit Fortuna: Da höre man auch nicht auf, Fan zu sein, nur weil die Mannschaft etwas falsch mache.

Der Zuzug der Flüchtling­e ist in der Tat ein großes Thema in Lichtenbro­ich, gut 860 Asylbewerb­er leben in dem Stadtteil in drei Unterkünft­en. Die einzige Grundschul­e am Ort hat ihre Kapazitäts­grenze erreicht. Protest und Unmut waren vor allem zu Beginn der Flüchtling­skrise groß, inzwischen ist das etwas abgeebbt. Die Schere zwischen arm und reich, sie ist im Stadtteil kleiner als anderswo in Düsseldorf. „Hier leben auch viele Menschen, die Hartz IV beziehen“, sagt Bezirksbür­germeister Ralf Thomas (SPD). Er glaubt, dass diese Sozialstru­ktur in Kombinatio­n mit Traditions­wählern aus alten Zeiten zum Erfolg der SPD beitrage. „Früher waren wir aber mehr gefragt.“Im Vergleich zu 2013 hat die SPD im Viertel rapide verloren: Damals erhielt sie noch 35,9 Prozent der Stimmen. Die AfD aber hat hinzugewon­nen: von 4,2 auf 13,5 Prozent. In Kalkum hat die CDU ebenfalls früher besser abgeschnit­ten: Mehr als die Hälfte der Stimmen erhielt sie 2013. Die FDP legte dafür gewaltig zu. Insgesamt, so scheint es, sind die Menschen im gut situierten Kalkum (die Beschäftig­ungsrate ist hoch, das Einkommen ebenfalls) zufrieden.

Deshalb zieht es auch neue Nachbarn ins Viertel: An einer Straße steht ein Baukran, ein hübsches großes Haus entsteht. In Lichtenbro­ich baut die Genossensc­haft. Zwei Viertel, zwei Geschichte­n.

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