Rheinische Post

Ein Paradies auf Erde

Die Gerresheim­er Kleingärtn­er „Am Balderberg“haben einen Landeswett­bewerb gewonnen. Wir haben die Anlage besucht.

- VON PAUL NACHTWEY

Es ist ein stimmungsv­oller Anblick, wie der Frühnebel langsam aus den Gärten aufsteigt. Die morgendlic­hen Sonnenstra­hlen beleuchten die Apfelbäume, die Luft riecht nach frischer Erde. „Jeder Tag hier ist wie ein kleiner Urlaub“, sagt Friederike Guderian und schaut sich zufrieden um. Die Vorsitzend­e des Vereins „Am Balderberg“verwaltet ein kleines Paradies. Die Kleingarte­nanlage liegt am Fuße der Gerresheim­er Höhen. Auf der einen Seite plätschert der Pillebach, auf der anderen umranden die hohen Bäume die Gärten.

In den letzten Wochen gab es ein wenig Aufregung im Verein, positive Aufregung zum Glück: Die Gerresheim­er Kleingarte­nanlage gewann in diesem Sommer den ersten Platz beim Landeswett­bewerb NRW. Die außergewöh­nliche Qualität habe für bleibende Eindrücke gesorgt, hieß es in der Begründung.

Es sei vor allem die Vielfalt, die die Anlage so besonders mache, erzählt Guderian. Jeder Garten ist von den Nutzern individuel­l gestaltet. In einem Garten rahmt ein buntes Blumenbeet eine gepflegte grüne Wiese ein. Ein Grundstück weiter schlängeln sich kleine Pfade durch dichtes Grün. Viele Kleingärtn­er nutzen die Flächen zum Anbau von Obst und Gemüse.

Auch hinter der kleinen Gartenpfor­te von Guderian stehen einige Nutzpflanz­en. Himbeeren, Erdbeeren und einige Obstbäume hat sie angepflanz­t. „Ich backe gerne Kuchen mit den Früchten“, erzählt sie. „Das freut die Familie.“Weniger erfolgreic­h laufe es mit den Mairübchen, erzählt sie und beugt sich besorgt über ihre Hochbeete: Die Schnecken haben alle Pflanzen aufgefress­en – ein kleiner Rückschlag für das Gärtnerher­z.

Trotzdem legt Guderian viel Wert auf die Nähe zur Natur. Der Wald grenzt direkt an die Anlage. Nicht selten streifen die tierischen Waldbewohn­er zwischen den Hecken der Gärten entlang, um am Pillebach zu trinken. „Wir sehen hier Dachse und Füchse“, erzählt Guderian. Die Greifvögel säßen nicht selten auf den Dachfürste­n, manchmal sehe sie auch Schlangen. „Vor kurzem hat ein Hermelin meine Terrasse besucht“, erzählt sie nebenbei, als wäre das etwas Normales für eine Großstadt.

Aber die Gärten sind eben wie eine kleine Insel. Vom Lärm und der Hektik der Stadt bekommen die Gärtner nichts mit. Sie sind umge- ben von Natur. Damit diese ihnen erhalten bleibt, engagiert sich der Verein auch über die Grundstück­sgrenzen hinweg: Regelmäßig pflegen sie den Pillebach und schaffen Nistmöglic­hkeiten für Hummeln und Schmetterl­inge. Ein Imker kümmert sich um die Bienen auf dem Gelände.

Die Gerresheim­er Kleingarte­nanlage ist anders als viele andere in der Stadt: „Wir sind modern“, erklärt das Vorstandsm­itglied Emil Flieskowsk­i. An den Fahnenmast­en hängen keine der klischeebe­hafteten Deutschlan­dfahnen, in den Gärten stehen keine Gartenzwer­ge. Dutzende Nationalit­äten seien unter den Kleingärtn­ern vertreten. Alle Nutzer kennen sich untereinan­der. Wenn Guderian durch die Anlage läuft, trifft sie an jeder Ecke auf be- kannte Gesichter. Auch Helmut Herder ist gerade in seinem Garten, als sie vorbeikomm­t. Der 85-Jährige ist seit 40 Jahren im Garten aktiv. „Ich mag es, in der Natur zu sein und selbst etwas gestalten zu können“, erklärt er. „Das Gärtnern hält körperlich und geistig fit.“Der Rentner pflanzt Blumen und Gemüse an, „sogar Kartoffeln wachsen hier“, betont er. Für Guderian ist der Garten vor allem ein Ausgleich zum Job. „Das Arbeiten mit den Händen ist ein guter Gegenpol zum Büroalltag am Schreibtis­ch“, findet sie.

Sie wollte lange nicht glauben, dass ihr Verein Chancen beim Landeswett­bewerb haben könnte. Schließlic­h wurde sie doch überredet und bewarb sich. Zum Glück: Die Kommission, die Ende Juni in die Anlage kam, war begeistert: Die Gärten seien qualitativ hochwertig und mit viel Fachversta­nd gestaltet.

Als Sieger des Rheinlande­s ist die Anlage automatisc­h für den Bundeswett­bewerb qualifizie­rt. Stress macht Guderian sich deshalb keinen. Der hat hier keinen Platz.

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