Österreich rückt nach rechts
Sowohl die konservative Volkspartei als auch die rechtspopulistische FPÖ legen zu. Sie profitieren vom Votum der Pessimisten.
WIEN (dpa/RP) Die Ergebnisse der Hochrechnungen verschoben sich an diesem Wahlabend in Österreich gleich mehrfach, aber an seinem Sieg bestand schon früh kein Zweifel mehr: Außenminister Sebastian Kurz (31), der wohl nun schon bald auf den Sessel des Bundeskanzlers wechseln wird, ließ sich von begeisterten Anhängern für den Wahlsieg seiner konservativen Volkspartei ausgiebig bejubeln. „Das ist unsere Chance für echte Veränderung in diesem Land“, sagte der ÖVP-Chef. Er verstehe das Wahlergebnis als deutlichen Auftrag. Laut Hochrechnungen lag die ÖVP zu diesem Zeitpunkt mit fast 32 Prozent klar an erster Stelle. Er wolle mit der Rückendeckung der Wähler einen neuen politischen Stil etablieren. „Ich nehme diese Verantwortung mit großer Demut an“, sagte Kurz.
Der bisherige Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern warnte dagegen vor erstarkten rechten Kräften in seinem Land. „Wir haben mit einem massiven Rechtsruck zu tun“, sagte der Chef der österreichischen Sozialdemokraten. Die SPÖ müsse in der kommenden Legislaturperiode deshalb umso mehr für die Werte der Partei kämpfen. Für Österreichs machtverwöhnte Sozialdemokraten markierte die Wahl gestern eine schmerzhafte Zäsur. Die Ära der roten Kanzler, die seit 1970 mit nur sechs Jahren Unterbrechung andauerte, ist Geschichte. Eine erneute Regierungs- beteiligung schloss Kern allerdings nicht dezidiert aus: „Wir wollen Verantwortung übernehmen – in welcher Form, wird sich weisen.“Immerhin war es Kern gelungen, das befürchtete totale Desaster abzuwenden: Die SPÖ blieb zweitstärkste Kraft vor der rechtspopulistischen FPÖ.
Die Partei von Heinz-Christian Strache, der die Demoskopen vor noch nicht allzu langer Zeit sogar zugetraut hatten, stärkste Partei zu werden, verbuchte zwar deutliche Zugewinne, musste sich aber mit Platz drei zufriedengeben. Am meisten Stimmen kostete die FPÖ ganz offenbar der Höhenflug von Kurz, der Strache erfolgreich das Monopol auf das Topthema Flüchtlinge entrissen hatte. Wie die FPÖ forderte er einen verbesserten Schutz der Grenzen und die schnelle Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Kurz vermied dabei aber die aufrührerische Rhetorik der FPÖ und ihres Chefs Strache. Laut Meinungsforschungsinstitut Sora ging seine Rechnung voll auf. So wirkte bei der ÖVP vor allem der als Verfechter eines strikten Schutzes der Grenzen positionierte Kurz als Zugpferd: 42 Prozent der ÖVP-Wähler gaben an, seinetwegen die Konservativen gewählt zu haben.
Es ging aber nicht allein um die Zuwanderungsfrage. In Österreich war der Frust über die rot-schwarze Dauer-Koalition weit verbreitet. Wer da – wie die FPÖ – „Veränderung“versprach, hatte offenbar schon ein deutliches Plus beim Wähler. Das zeigt sich auch daran, dass laut Sora-Analyse 45 Prozent der Wähler das Land in einer Abwärtsspirale sehen. Nach ihrer Meinung hat sich in den vergangenen fünf Jahren vieles zum Schlechten entwickelt. Wie es aussieht, haben Kurz und Strache die Pessimisten abgeholt.
„Es ist einer der größten Umbrüche in der Zweiten Republik“, sagt der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. Das belege schon allein der Umstand, dass ÖVP und FPÖ erstmals gemeinsam deutlich zulegten. Bisher ging der Wahlerfolg der einen Partei stets auf Kosten der anderen. Die durch deutliche Zugewinne gestärkten Rechtspopulisten der FPÖ werden aber kein einfacher Gesprächspartner für die ÖVP. „Wenn das Wahlergebnis ungefähr so eintritt, glaube ich, dass eine Partnerschaft nur auf Augenhöhe funktionieren kann“, kündigte FPÖ- Vize Norbert Hofer an. Das Bündnis von ÖVP und FPÖ ist jedenfalls noch nicht in trockenen Tüchern.
Zunächst müsste die FPÖ wohl ein klares Bekenntnis zur EU abgeben, das Kurz bereits eingefordert hat. Zumindest von einem Austritt Österreichs aus der EU, den die FPÖ noch vor der Brexit-Abstimmung gefordert hatte, spricht Strache nicht mehr. Gerüchten zufolge soll auch der EU-Skeptiker Norbert Hofer, der unterlegene FPÖ-Präsidentschaftskandidat, nicht neuer Außenminister werden. Grund: Im zweiten Halbjahr 2018 übernimmt Österreich die EU-Ratspräsidentschaft. Bundespräsident Van der Bellen ließ gestern die Verhandlungspartner schon wissen, dass er entsprechend handeln werde, wenn er „aus bestimmten Gründen“kein Vertrauen zu einer Person habe.