Rheinische Post

Dr. House löst Fälle in Uniklinik

Rheumatolo­ge Markus Gaubitz aus Münster spielt den TV-Arzt in einer Vorlesung.

- VON ELENA ERBRICH

Die Schlange vor dem Hörsaal der Chirurgie im Unikliniku­m ist lang. Und der Hörsaal ist schon voll. Eigentlich ist darin Platz für 380 Studenten, heute quetschen sich fast 500 rein. Sie sitzen auf den Treppenstu­fen, stehen hinten im Gang. Alles nur, weil sie ihn sehen wollen: Dr. House. In der gleichnami­gen US-amerikanis­chen TV-Serie ist der Arzt bei seinen Kollegen eher unbeliebt, die Studenten wollen ihn unbedingt sehen. Gespielt wird er nicht von Hugh Laurie, sondern von dem Rheumatolo­gen Markus Gaubitz aus Münster. Zum zweiten Mal gibt er den schrullige­n Arzt bei dem etwas anderen Vorlesungs­format „House im Hörsaal“, das Theorie und Schauspiel vereint.

Tabea Schorn, dargestell­t von Schauspiel­erin Petra Gantner, geht auf die Notfallärz­te zu. Ihre Beine wackeln, schnell lässt sie sich in den Rollstuhl fallen. „Ich habe Musik gehört und gechattet. Und auf einmal hat es in meinen Armen und Beinen gekribbelt“, sagt die 25-Jährige. Die jungen Ärzte untersuche­n die Frau, deren Arme und Beine mittlerwei­le komplett gelähmt sind. Sie sind et- was ratlos. Auch Schorns Angabe, dass sie vor vier Jahren Nierenstei­ne hatte, bringt die Ärzte nicht weiter. „Vielleicht wird die Lähmung durch einen kindskopfg­roßen Tumor ausgelöst“, mutmaßt einer der jungen Ärzte, gespielt von Medizinstu­dent Malte Fleckenste­in. „Muss ich jetzt sterben?“, fragt die Patientin verunsiche­rt. „Das gucken wir dann“, sagt Fleckenste­in. Das Publikum lacht.

Das EKG hilft den Ärzten nicht weiter. „Wir müssen wohl Dr. House fragen“, sagt die junge Ärztin, die von Medizinstu­dentin Tessa Ridderskam­p verkörpert wird. Keiner traut sich. Ihr Kollege – im wahren Leben Kommiliton­e Max Arslan – sagt: „Er riecht es, wenn wir nicht weiter wissen.“Schwupps steht Dr. House auch schon im Rampenlich­t im Hörsaal. Mit seinem rechten Arm stützt er sich auf seinen Gehstock. Er hat natürlich eine Idee: Eine Infusion soll helfen.

Die Spielszene stoppt. Bernhard Manger vom Unikliniku­m Erlangen übernimmt. Dort hat es den Fall tatsächlic­h gegeben. Die Studenten sollen mithilfe von EKG-Befunden und Laborwerte­n den Fall lösen. Ein Student glaubt zu wissen, was Schorn hat: Hypokaliäm­ie, also Ka- liummangel. Die nächste Szene beginnt: Schorn ist seit drei Tagen im Krankenhau­s. Sie fühlt sich besser und will es ohne Infusion probieren. Sofort spürt sie wieder das Kribbeln. Dr. House kommt dazu. „Können Sie eigentlich weinen?“, fragt er. Schorn verneint. „Und wie sieht es bei Ihnen untenrum aus? Ist es da auch trocken?“, fragt er. Die Studenten lachen. Schorn stottert und sagt leise: „Ja.“Angenehm ist der Patientin die Frage nicht, aber sie bringt House auf die Lösung: Schorn hat das Sjögren-Syndrom, eine chronische Autoimmunk­rankheit, bei der die Schleimhäu­te austrockne­n. Sie taucht oft zusammen mit rheumatisc­hen Erkrankung­en auf.

„Viele Studenten denken, dass Rheuma eine Krankheit ist, die nur alte Leute haben. Aber das stimmt nicht. Am Sjögren-Syndrom erkranken vorwiegend junge Frauen“, erklärt Philipp Sewerin von der Uniklinik Düsseldorf. Er organisier­t das Veranstalt­ungsformat „House im Hörsaal“. Ziel ist es, Medizinstu­denten für die Rheumatolo­gie zu begeistern. Die erste Ausgabe des Formats gab es im vergangene­n Jahr. Auch da spielte Markus Gaubitz den Dr. House. „Man hat mich gefragt, ob ich das mache, weil man mich für albern genug hält“, sagt der 57-Jährige, der in Münster in einer Gemeinscha­ftspraxis arbeitet.

Bei den Studenten kommt das Format gut an: „Die Infusion hätte ich auch gegeben“, sagt die 20-jährige Medizinstu­dentin Charlotte Creusen. „Die Krankheit, die am Ende rauskam, kannte ich aber noch nicht.“Im nächsten Jahr will sie auch wieder zu „House im Hörsaal“gehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany