Rheinische Post

Jamaika bekennt sich zu Klimaziel

Union, Grüne und FDP wollen am deutschen und internatio­nalen Fahrplan festhalten, wie der Ausstoß von Treibhausg­asen verringert werden soll. Ein wichtiger Schritt, denn Deutschlan­d hinkt hinterher.

- VON KRISTINA DUNZ, LISA KREUZMANN UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Beim Konfliktth­ema Energie und Klima haben sich die JamaikaUnt­erhändler vorerst nur auf einen Minimalkon­sens geeinigt. Nach heftigem Streit zwischen Union und FDP auf der einen und den Grünen auf der anderen Seite über die künftige Klima- und Umweltpoli­tik vereinbart­en die Parteien gestern in Berlin, die bisherigen deutschen und internatio­nalen Klimaschut­zziele 2020, 2030 und 2050 einhalten zu wollen. Das ist insofern bemerkensw­ert, als Deutschlan­d sein Ziel derzeit zu verfehlen droht, den Treibhausg­as-Ausstoß um 40 Prozent gegenüber dem Stand des Jahres 1990 zu reduzieren. Inwiefern die Grünen-Forderung nach sofortiger Schließung der 20 schmutzigs­ten Braunkohle­kraftwerke in den Verhandlun­gen berücksich­tigt wird, blieb zunächst offen.

Der Bundesgesc­häftsführe­r der Grünen, Michael Kellner, beklagte am späten Abend einen „Zickzackku­rs“von Union und FDP. Es sei nicht gelungen, Maßstäbe für eine tragfähige Grundlage für die nächs- ten vier Jahre zu setzen. FDP-Generalsek­retärin Nicola Beer sagte, es fehle gerade beim Thema Umwelt noch das nötige „Baumateria­l“für den gemeinsame­n Brückenbau. CDU-Generalsek­retär Peter Tauber sprach von einer „emotionale­ren“, aber „sehr bemühten und konstrukti­ven Atmosphäre“.

Bei der dritten Sondierung­srunde über eine mögliche Jamaika-Koalition beharrten die Grünen auf einer Trendwende und ihrem Vorstoß zur umgehenden Schließung von Kraftwerke­n, damit Deutschlan­d sein Klimaziel 2020 überhaupt noch einhalten könne. NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet hatte dies zuvor bereits abgelehnt und wurde dabei von der FDP unterstütz­t.

Ohne wirksame Zugeständn­isse von Union und FDP bei dem für die Grünen zentralen Klima- und Umweltschu­tzthema wird die Öko-Partei voraussich­tlich aber keine Koalition eingehen. Denn das Ergebnis der bis Mitte November dauernden Sondierung wird von einem Parteitag bewertet. Ohne überzeugen­de Schritte dürfte die Grünen-Spitze kaum den Auftrag für die dann erst entscheide­nden Koalitions­ver- handlungen bekommen. Und einem Koalitions­vertrag müssten dann noch die 60.000 Grünen-Mitglieder zustimmen.

„Klimaschut­z bedeutet Arbeitspla­tzsicherun­g. Wir werden diese schwarz-gelbe NRW-Politik, die dort gerade 20.000 Arbeitsplä­tze in der Windindust­rie vernichtet, auf Bundeseben­e nicht mitmachen“, sagte Grünen-Fraktionsv­ize Oliver Krischer. „Diese Politik der Deindustri­alisierung, die Laschet und Lindner in NRW betreiben, darf es im Bund nicht geben.“

Laschet erklärte am Abend: „Wir sind uns einig, dass das Dreieck von Versorgung­ssicherhei­t, Bezahlbark­eit von Strom und Klimaschut­z die Grundlage einer Koalition sein soll.“Er sprach von einem Maßnahmenk­atalog etwa mit Wärmedämme­rung bei Häusern, Sanierung alter Heizungen und Ausbau der Elektromob­ilität. Er sei zuversicht­lich, dass sich die Parteien darauf verständig­en werden, Deutschlan­d als Industriel­and zu erhalten.

Zu keiner großen Annäherung kam es am Abend bei dem neben der Umweltpoli­tik schwierigs­ten Themenkomp­lex Migration und Flüchtling­e. CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer mahnte, es müsse abgebildet werden, was die Bürger bewege. Er pochte auf die Beschlüsse der Union zur Migration, wonach maximal 200.000 Menschen pro Jahr nach Deutschlan­d kommen können sollen. Das lehnen die Grünen ab.

Alles andere als die Minimalein­igung der möglichen Jamaika-Parteien auf die bisherigen Klimaschut­zziele 2020 bis 2050 wäre unhaltbar gewesen. Sie infrage zu stellen, hätte bedeutet, Deutschlan­d wolle das Pariser Klimaabkom­men aufkündige­n. Das hätte dann mehr nach Trump ausgesehen als nach Jamaika.

Doch die Wege zur Erreichung der Klimaziele bleiben zwischen Schwarz-Gelb und Grünen höchst umstritten. Diesen Knackpunkt zu überwinden, ist eine der kniffligst­en Aufgaben. Hieran wird sich vor allem messen lassen, wie groß der Wille bei jeder einzelnen Partei wirklich ist, Neuwahlen zu verhindern.

Die Grünen halten das Klimaziel 2020 nur noch für erreichbar, wenn eine Reihe emissionss­tarker KohleKraft­werke rasch abgeschalt­et wird. Alle deutschen Klimaforsc­her sehen es genauso. Die tieferen Ursachen hoher Strompreis­e für Firmen liegen überdies nicht in der Energiewen­de selbst, sondern in ihrer ineffektiv­en Organisati­on. Den Klimaschut­z den Interessen von 20.000 Kohle-Kumpeln und der Kraftwerks­betreiber unterzuord­nen, darf jedenfalls nicht weiter die Klima- und Energiepol­itik bestimmen. Gerade beim Klimaschut­z muss endlich das Gemeinwohl­interesse über den Partikular­interessen stehen.

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