Schröder vermittelte bei Erdogan
Der Menschenrechtler Peter Steudtner ist frei, wohl auch dank des Altkanzlers.
BERLIN (kd/RP) Bei der Freilassung des Berliner Menschenrechtlers Peter Steudtner aus türkischer Untersuchungshaft hat Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) eine zentrale Rolle gespielt. Ein Treffen des Politikers mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im September soll einen Durchbruch gebracht haben, wie gestern bekannt wurde. Die Idee für die Mission hatte demnach Außenminister Sigmar Gabriel (SPD); von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde sie mitgetragen. „Ich bin Gerhard Schröder sehr dankbar für seine Vermittlung“, sagte Gabriel „Spiegel Online“.
Steudtner wurde noch gestern in Berlin zurückerwartet; zunächst gab es widersprüchliche Meldungen über seine Rückkehr. Der in der Türkei angeklagte 45-Jährige war nach einer Gerichtsentscheidung vom Mittwochabend nach mehr als 100 Tagen Untersuchungshaft freigekommen. Er und zehn weitere Aktivisten waren im Juli während eines Menschenrechts-Seminars festgenommen worden. Ihnen wird unter anderem die Unterstützung von Terrororganisationen vorgeworfen.
Steudtners Freilassung hat nach Auffassung des EU-Abgeordneten Elmar Brok (CDU) vermutlich auch wirtschaftliche Gründe. „Es war richtig, dass sich Deutschland gegen die geplante Erweiterung der Zollunion der EU mit der Türkei ausgesprochen hat. Die so wichtige Frage hat Ankara zu einem Abwägungsprozess verholfen“, sagte Brok unserer Redaktion. Ihm zufolge ha- ben sich viele deutsche und europäische Diplomaten für Steudtners Entlassung eingesetzt: „Gerhard Schröder war beileibe nicht der Einzige, der vermittelt hat.“Brok sagte, entweder zeigten sich jetzt „Restbestände einer richterlichen Unabhängigkeit in der Türkei“oder entsprechende „Hinweise des Staates“.
Die Bundesregierung hoffe, dass mit der Freilassung ein Prozess der Entspannung mit der Türkei in Gang kommt, verlautete aus Regierungskreisen. Offizielle Stellungnahmen gab es nicht. Keinesfalls wolle man Gespräche etwa über den inhaftierten Journalisten Deniz Yücel durch zu große öffentliche Aufmerksamkeit gefährden, hieß es.
Der Menschenrechtler Peter Steudtner ist frei. Das ist die gute Nachricht. Endlich. Die betrübliche ist: Seine Entlassung aus willkürlicher türkischer Untersuchungshaft sagt noch nichts aus über das weitere Schicksal der anderen aus politischen Gründen inhaftierten Deutschen wie der Übersetzerin Mesale Tolu und des Journalisten Deniz Yücel. Um diplomatische Bemühungen nicht zu gefährden, schweigt das Kanzleramt jetzt – während Noch-SPD-Außenminister Sigmar Gabriel die verdienstvolle Vermittlung des wenig zimperlichen Altkanzlers Gerhard Schröder beim autokratischen Präsidenten Erdogan öffentlichkeitswirksam zum Besten gibt. Das ist heikel. Denn wenn Erdogan eins nicht verkraften kann, ist das Gesichtsverlust. Offenbar hat ihm aber auch das deutsche Nein zur Erweiterung der Zollunion der EU und der Türkei zu denken gegeben. Das ist anscheinend ohnehin eines der wirkungsvollsten Druckmittel, beim Geld kann der Ärger über Deutschland dann schon mal aufhören. Dazu kommt die Lehre, dass für die Lösung von Konflikten eben eins nie fehlen darf: reden.
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