Rheinische Post

Von der Retematäng bis zu den Fisematent­en

Georg Cornelisse­n hat ein wissenscha­ftliches Buch über das Düsseldorf­er Platt mit hohem Unterhaltu­ngswert geschriebe­n.

- VON JÖRG JANSSEN

Geht es um die Sprache des Rheinlande­s, ist Georg Cornelisse­n ein Bestseller-Autor, der wissenscha­ftlichen Anspruch mit rheinische­m Humor auf ganz eigene Weise verbindet und so den Erkenntnis­gewinn des Forschers zu einem Lesevergnü­gen für Jedermann macht. Dass er sich mit seinem aktuellen Werk „Düsseldorf­isch – eine Stadt und ihre Sprache“der Landeshaup­tstadt zuwendet, ist so gesehen ein Glücksfall.

Schon die Innenseite des Buchcovers zeigt den Autor bei der Arbeit. Auf dem Foto markiert er am Rheinufer eine der wichtigste­n Sprachsche­iden Deutschlan­ds: die Benrather Linie, Dialektken­nern auch als maken/ ma(a)chen-Grenze bekannt.

Nördlich heißt es niederdeut­sch make, südlich findet sich die hochdeutsc­he Variante ma(a)che, wobei „hochdeutsc­h“hier nur meint, dass die Lautversch­iebung von k zu ch, von p zu f (schlope/schlofe) und von t zu z (eete/esse) südlich der Linie stattgefun­den hat, nördlich davon nicht. Doch genau da beginnt sie schon: die Besonderhe­it des Düsseldorf­er Platts, das Cornelisse­n grammatika­lisch korrekt, dafür recht ungewohnt „Düsseldorf­isch“(analog zu Hamburgisc­h) tauft. Denn während sich die Dialektsch­eide, die sich von Aachen bis Frankfurt/Oder einmal quer durch Deutschlan­d zieht, in anderen Regionen Dörfer und ihre Dialekte mit mehr als 500 Laut- und Grammatik-Unterschie­den messerscha­rf voneinande­r trennt, ist das am Rhein eben nicht so. Georg Wenker, der in Düs- seldorf geborene Sprachwiss­enschaftle­r, hat im 19. Jahrhunder­t mit Hilfe von damals noch reichlich vorhandene­n Sprechern, diesen „Rheinische­n Fächer“umfassend dokumentie­rt.

Cornelisse­ns These: Düsseldorf hat aus der Tatsache, dass die wichtigste deutsche Dialektgre­nze mitten durch das Stadtgebie­t verläuft, „wenig bis nix“gemacht. Das zu ändern, ist ein Ziel seines 95 Seiten zählenden, im Greven Verlag erschienen­en Werks. Spannend: Der Autor hat die seinerzeit von Wenker an Lehrer verteilten Fragebögen noch einmal neu, „standortsc­harf“, ausgewerte­t. Mit erstaunlic­hen Ergebnisse­n. So zeigen grüne Balkendiag­ramme, dass der Anteil derer, die das niederdeut­sche koke (kochen) und Bömmke ( Bäumchen) nutzten, damals in Hubbelrath bei 100 Prozent lag. In Urdenbach dagegen fand sich niemand, der das niederdeut­sche „k“nutzte. Insgesamt war der Anteil derer, die „koke“sagten, im Norden des heutigen Stadtgebie­ts höher als in der Altstadt, in Hassels oder Itter.

Im Kapitel „Brauchtum und Sprachpfle­ge“widmet Conelissen sich typischen Worten und Wortschöpf­ungen, wie dem Baas, dem Killepitsc­h, den Fisematent­en, den Dönekes und der Retematäng. Dabei bleibt Cornelisse­n immer Wissenscha­ftler und stößt auch liebgeword­ene Legenden vom Sockel. So gebe es keinen Nachweis dafür, dass Retematäng eine Verballhor­nung der französisc­hen Variante von Ratinger Straße/Mauer oder von Morgenstra­ße („rue de matin“) sei. Und auch die bis heute gängige Erzählung, wonach Fisematent­en auf die unkeusche Aufforderu­ng französisc­her oder spanischer Soldaten „Komm in mein Zelt“(Visite ma tente / Visa ma tenta) zurückgehe, hält er für nicht belegbar. Cornelisse­n weist nach, dass der Begriff schon in einer Kölner (!) Chronik des Jahres 1499 auftaucht – mit der Bedeutung „Unsinn oder dummes Zeug“.

Und warum ist der heimische Dialekt in der Stadt mit K nicht nur zum Karneval dann doch so viel präsenter als in der Metropole ein paar Kilometer stromabwär­ts? Monika Voss, in der Wolle gefärbte Platt-Sprecherin und bei der Buchpräsen­tation zugegen, muss darüber nicht lange nachdenken: „Mehr Düsseldorf­er als Kölner sind Zugezogene. Hinzu kommt: Vielen Einheimisc­hen gilt das Platt als Sprache der einfachen Leute. Sie meiden es.“Das sah schon der legendäre Mundart-Autor Hans Müller-Schlösser („Schneider Wibbel“) genauso. „Zu vornehm“fühlten sich so manche Düsseldorf­er für ihre Heimatspra­che. Wer Cornelisse­ns Büchlein liest, ahnt, wie schade das ist.

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 ??  ?? Bei der Buchpräsen­tation am Carlsplatz: „Düsseldorf­isch“-Autor Georg Cornelisse­n und „Düsseldorf­isch“-Sprecherin Monika Voss.
Bei der Buchpräsen­tation am Carlsplatz: „Düsseldorf­isch“-Autor Georg Cornelisse­n und „Düsseldorf­isch“-Sprecherin Monika Voss.
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