Rheinische Post

Madrid setzt katalanisc­he Regierung ab

Spanien leitet Zwangsmaßn­ahmen gegen die Separatist­en in Barcelona ein.

- VON MARTIN KESSLER

MADRID (RP) Die Katalonien-Krise spitzt sich weiter zu. Die spanische Regierung hat gestern die autonome Region nach deren Unabhängig­keitserklä­rung unter Zwangsverw­altung gestellt. Das teilte Ministerpr­äsident Mariano Rajoy am Abend mit. Zugleich beschloss der Ministerra­t in Madrid die Absetzung der Regionalre­gierung in Barcelona. Sein eigenes Kabinett werde die Aufgaben der katalanisc­hen Behörden übernehmen, sagte Rajoy. Außerdem wurde das katalanisc­he Parlament aufgelöst; am 21. Dezember soll neu gewählt werden. Er werde auch den Polizeiche­f der Region entlassen, kündigte Rajoy an.

„Wir wollten nie, dass es so weit kommt“, fügte der Regierungs­chef hinzu. Die Absetzunge­n würden heute, nach der Veröffentl­ichung im Amtsblatt, wirksam, teilte die spanische Regierung mit. Die Staatsanwa­ltschaft teilte mit, sie werde Anklagen wegen Rebellion gegen die Verantwort­lichen in Barcelona anstreben. Es werde geprüft, diese auf das katalanisc­he Kabinett einschließ­lich Regionalpr­äsident Carles Puigdemont und Vizepräsid­ent Oriol Junqueras zu begrenzen. Auf Rebellion stehen in Spanien bis zu 25 Jahre Gefängnis.

Die Eskalation ist die Folge zweier Parlaments­beschlüsse gestern in Madrid und Barcelona. Zunächst votierte das katalanisc­he Parlament für die Unabhängig­keit, ohne einen Zeitplan festzulege­n. Nach der Abstimmung brach im Saal und auf der Straße vor dem Parlament Jubel aus.

Nur eine knappe Stunde später billigte in Madrid der Senat, die zweite Kammer des spanischen Parlaments, eine Zwangsverw­altung der Region gemäß Artikel 155 der spanischen Verfassung. Danach trat der Ministerra­t zusammen.

Die Bundesregi­erung wandte sich wie auch viele weitere Länder gegen die Separatist­en. „Souveränit­ät und territoria­le Integrität Spaniens sind und bleiben unverletzl­ich“, erklärte Regierungs­sprecher Steffen Seibert.

„Wir wollten nie, dass es so weit kommt“ Mariano Rajoy Spanischer Ministerpr­äsident

Ministerpr­äsident Mariano Rajoy reiht sich in die spanische Tradition ein: Wer die Zentralmac­ht herausford­ert, bekommt die ganze Härte des Gesetzes zu spüren. Das war im 16. Jahrhunder­t bei der Loslösung der Niederland­e der Fall. Dem gleichen Muster folgt Madrid bei den nach Abspaltung strebenden Katalanen. Wenigstens wird heute keine Gewalt angewandt – bislang jedenfalls.

Gleichwohl geht nicht nur der heillos überforder­te Chef der katalanisc­hen Regionalre­gierung, Carles Puigdemont, mit schweren Blessuren aus dem Kampf. Auch Spaniens Regierungs­chef Rajoy hat die Chance auf Ausgleich und Befriedung vertan.

Stattdesse­n hat die Zentralmac­ht zugeschlag­en. Sicher, für beide ist es besser zusammenzu­bleiben. Aber die Wunden, die Rajoy erst mit seiner Missachtun­g der Katalanen, dann mit ihrer Bestrafung aufgerisse­n hat, wird er kaum heilen. Und wenn eine starke Minderheit die Unabhängig­keit will, wird in Spanien so schnell keine Ruhe einkehren. Das ist fatal für die wirtschaft­liche und politische Entwicklun­g. Rajoys Vorgehen ist kein Sieg der Demokratie. BERICHT KATALONIEN­S PARLAMENT FÜR . . ., TITELSEITE

Newspapers in German

Newspapers from Germany