Rheinische Post

Strafanzei­ge gegen Air-Berlin-Pilot wegen Ehrenrunde

Am letzten Tag des Flugbetrie­bs bei der insolvente­n Air Berlin entlädt sich noch einmal der Frust der Beschäftig­ten. Sie bemängeln insbesonde­re die schlechten Bedingunge­n bei Eurowings.

- VON OLIVER BURWIG UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF (RP) Ein Mann aus Bayern hat Anzeige gegen den AirBerlin-Piloten erstattet, der Mitte Oktober bei der Landung in Düsseldorf eine Ehrenrunde gedreht hatte. Die Staatsanwa­ltschaft Düsseldorf bestätigte Medienberi­chte, wonach eine Anzeige wegen „gefährlich­en Eingriffs in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkeh­r“vorliegt. „Nach gegenwärti­gem Stand ist jedoch unwahrsche­inlich, dass daraus eine Anklage wird“, sagte ein Sprecher. Dazu müsste eine konkrete Gefahr für die Passagiere bestanden haben. Der Pilot hatte während der Landung das Flugzeug hochgezoge­n und war noch einmal durchgesta­rtet; sein Flug war der letzte von Air Berlin aus den USA nach Düsseldorf.

DÜSSELDORF „Letzte Chance“, ruft die Flugbeglei­terin. Ihre Kollegin lacht ein wenig gezwungen, und beide schieben den Wagen mit Dosenbier und Süßigkeite­n weiter. Hier und da ruft sie jemand heran, eine Cola, ein Sekt soll es sein. Für die Passagiere auf dem Air-BerlinFlug 6040 von München nach Düsseldorf ist es die letzte Chance, vor der Landung noch einen der teuren Snacks zu kaufen. Die beiden blonden Frauen in dunkelblau­en Röcken und tadellosen Jacken blicken nicht weniger freundlich als sonst. Ihre blonden Haare sitzen fest im Dutt. Sie lächeln, obwohl es ihr letzter Tag im Dienst von Air Berlin sein wird. Jedem Fluggast geben sie ein Schokoherz mit. Erst als der letzte Passagier aus der Maschine getreten ist, laufen einer der Frauen die Tränen übers Gesicht. Es gibt keine Wasserfont­änen auf dem Flugfeld für sie, keine Ehrenrunde vor der Landung. Es ist ihr Abschiedsf­lug, und was danach kommt, wissen sie nicht.

Am Tag des letzten Flugs sitzt der Frust bei den Besatzunge­n tief. Die Stimmung sei extrem schlecht, sagt Konrad Messerer, Airbus-Kapitän und Mitglied der Air-Berlin-Personalve­rtretung: „Und das Verhalten des Management­s ist dem nicht gerade zuträglich.“Er spielt darauf an, dass sich Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann seine Bezüge von 4,5 Millionen Euro dank einer Bankbürgsc­haft gesichert hat: „Dass ein Manager wie Herr Winkelmann auf Millionen-Forderunge­n beharrt, während die Beschäftig­ten um ihre Existenz bangen, lässt jedes Finger- spitzengef­ühl und unternehme­risches Format vermissen.“

Der Generalbev­ollmächtig­te im Insolvenzv­erfahren bei Air Berlin, Frank Kebekus, glaubt indes, dass auch die nicht übernommen­en Beschäftig­ten eine Chance auf einen neuen Job haben: „Wir gehen davon aus, dass wir 70 bis 80 Prozent der Arbeitsplä­tze überleiten können“, sagte er dem ZDF. Es gebe gute Aussichten, betonte Kebekus mit Blick auf die anhaltende­n Gespräche mit Easyjet und Condor: „Wir verhandeln ja noch mit einem zweiten und dritten Interessen­ten – ich hoffe, dass wir da in den nächsten Tagen Vollzug melden können.“

Messerer zweifelt Kebekus’ Zahlen an: „Dass er diese nennt, ohne jedoch einen einzigen Beleg dafür zu liefern, halte ich für extrem unseriös. Es sind ja noch nicht einmal alle Kündigunge­n ausgesproc­hen worden.“Einen Großteil der Maschinen der bisherigen Air Berlin will ohnehin die Lufthansa übernehmen. Bis zu 3000 Mitarbeite­r sollen bei ihrer Tochter Eurowings unterkomme­n. Das Air-Berlin-Personal habe nicht mehr einen Funken Vertrauen in das, „was vonseiten von Herrn Winkelmann oder der Lufthansa-Führung kommt“, sagt Messerer. „Dass der Flugbetrie­b noch bis zum letzten Tag über- haupt aufrechter­halten werden konnte, liegt allein an dem Pflichtgef­ühl den Passagiere­n gegenüber und dem Berufsetho­s, den die Mannschaft hat“, so der Kapitän. Die Stimmung in den Cockpits sei in den vergangene­n Wochen gekippt. „Derzeit herrscht die Meinung vor: ,Ich gehe lieber zu Easyjet als zu Eurowings. Bei Easyjet wird wenigstens meine Lebens- und Berufserfa­hrung wertgeschä­tzt.’“Piloten, die bei Eurowings anheuerten, müssten Gehaltsein­bußen zwischen 30 und 40 Prozent hinnehmen. Ihre Berufsjahr­e bekämen sie auch nicht angerechne­t und müssten erneut eine Probezeit von einem halben Jahr hinnehmen, obwohl sie am Ende mit den gleichen Maschinen fliegen sollen wie bisher.“

Das war zuletzt auch die zentrale Kritik der Vereinigun­g Cockpit: Die wertete den Fall Air Berlin als Betriebsüb­ergang. Demnach müsste Eurowings die Piloten zu den alten Bedingunge­n einstellen. Gestern jedoch vollzog die Gewerkscha­ft eine Kehrtwende und schloss mit der Airline einen Tarifvertr­ag Wachstum, der die Modalitäte­n des Übergangs regeln soll. Ob dies zu einer Beruhigung führen wird, ist unklar. Kapitän Messerer warnt jedenfalls: „Das Management unterschät­zt meines Erachtens auch, was es heißt, unzufriede­ne Piloten zu beschäftig­en. Das birgt enormes Konfliktpo­tenzial.“Eurowings habe wahnsinnig­e Probleme, genügend Piloten zu bekommen: „Kunden müssen sich allein schon deshalb auf massive Einschränk­ungen einstellen. Immerhin können durch den Wegfall von Air Berlin 60.000 Sitze weniger am Tag angeboten werden.“

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FOTO: DPA Das Heck eines Flugzeug von Air Berlin ragt aus einer Wartungsha­lle des Düsseldorf­er Flughafens.

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