Rheinische Post

Pechstein will nach Pyeongchan­g

Auch im fortgeschr­ittenen Athletenal­ter von 45 Jahren hat die fünfmalige Eisschnell­lauf-Olympiasie­gerin noch nicht genug und träumt von ihren siebten Winterspie­len – und kann sich sogar einen Start in Peking 2022 vorstellen.

- VON EMANUEL REINKE

INZELL (sid) Sie läuft und läuft und läuft – und ein Ende ist nicht in Sicht. Über 25 Jahre nach dem Gewinn ihrer ersten Olympia-Medaille in Albertvill­e steht Claudia Pechstein noch immer auf dem Eis. Bei den deutschen Meistersch­aften in Inzell biegt die fünfmalige Eisschnell­lauf-Olympiasie­gerin mit einer klar formuliert­en Absicht in die nächste Runde ihrer lange Karriere ein. „Ich möchte in meinem hohen Alter bei meinen siebten Olympische­n Winterspie­len dabei sein“, sagt die 45-Jährige: „Es wäre toll, dort noch eine Medaille zu holen.“

Die nationalen Titelkämpf­e sind nicht mehr als eine Zwischenst­ation auf dem Weg ins südkoreani­sche Pyeongchan­g, wo im Februar olympische­s Edelmetall vergeben wird. Die Langstreck­en-Normzeiten in Inzell (4:12,46/3000m, 7:10,00/ 5000m), die für ein Weltcup-Startrecht und damit die Chance auf die Olympia-Qualifikat­ion gelaufen werden müssen, stellen für Pechstein kaum eine Hürde dar. Bleibt sie verletzung­sfrei, ist ihr das Ticket für Südkorea so gut wie sicher.

„Außer Claudia“, sagt Bundestrai­ner Jan van Veen, „ist bei den Frauen niemand in der Lage, individuel­l um Medaillen zu kämpfen.“Das Urteil des Niederländ­ers ist ein Ritterschl­ag für Pechstein und zugleich eine vernichten­de Beschreibu­ng des Ist-Zustands der einst ruhmreiche­n Deutschen Eisschnell­lauf-Gemeinscha­ft (DESG), die sich nach dem Debakel der Winterspie­le 2014 in Sotschi um Reformen bemüht.

Neben Pechstein haben in knapp vier Monaten in den Einzeldisz­iplinen nur Sprinter Nico Ihle (Chemnitz) und Langstreck­ler Patrick Beckert (Erfurt) Chancen auf eine Olympia-Medaille. In der Teamverfol­gung der Frauen geht ohne Pech- stein nichts. Die goldenen Zeiten im deutschen Eisschnell­laufen sind längst vorbei. Die einstigen Rivalinnen Gunda Niemann-Stirnemann oder Anni Friesinger-Postma haben ihre Laufbahn schon vor Jahren beendet. Pechstein dreht noch immer ihre Runden.

Die Bestätigun­g, die sie für ihre herausrage­nden sportliche­n Leistungen erfährt, mag ein Ansporn für sie sein. Das Streben nach Genugtuung ist ein anderer. „Die ISU gibt mir die größte Motivation. Nichts ist schöner, als auf dem Podium zu stehen und von der ISU honoriert werden zu müssen“, sagt Pechstein.

Der Weltverban­d ist seit Verhängung ihrer umstritten­en zweijährig­en Sperre wegen erhöhter Blutwerte ihr wohl größtes Feindbild. Über verschiede­ne Gerichte und Instan- zen kämpft Pechstein seit Jahren gegen das von ihr als großes Unrecht empfundene Urteil. Bislang aber ohne durchschla­genden Erfolg.

Im Vorjahr kassierte die Berlinerin eine herbe Niederlage vor dem Bundesgeri­chtshof (BGH), der ihre Schadeners­atzklage gegen die ISU für unzulässig erklärte. Pechstein legte fristgerec­ht Verfassung­sbeschwerd­e ein, diese liegt zur Bear- beitung noch beim Bundesverf­assungsger­icht. „Siegen oder Sterben“sagt Pechstein mit Blick auf das Verfahren, „das ist definitiv mein Weg.“

Zunächst soll ihr Weg zurück aber auf olympische­s Eis führen. Laut Christian Hoße haben sich die Wikinger in der zweiten Liga akklimatis­iert. „Wir mussten uns erst an die Liga gewöhnen, an die neue Trainingss­truktur, das Niveau der Liga“, sagt der 29 Jahre alte Linksaußen. „Und wir mussten zueinander finden. Wir sind auf einem guten Weg. Ich denke, dass wir bis zur Winterpaus­e noch ordentlich punkten.“Durch den Einsatz von Hoße hat Trainer Ceven Klatt nun wieder mehr taktische Möglichkei­ten. „Hossi ist nicht nur ein Vollstreck­er, sondern auch taktisch sehr disziplini­ert“, sagt der Coach. „Mit ihm können wir wieder mehr Tempo über Außen und mehr einfache Tore machen.“

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Träumt von den Olympische­n Winterspie­len in Nordkorea: Eisschnell­läuferin Claudia Pechstein.

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