Rheinische Post

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Comedy und Kabarett sind heute Abend in weiblicher Hand. Wieso wundert sich die Welt immer noch, dass auch Frauen Humor haben?

- VON HELENE PAWLITZKI

Der Sänger der Toten Hosen ist einer von mehreren bekannten Unterstütz­ern der Spendenakt­ion „Düsseldorf setzt ein Zeichen“. Bislang kamen bereits 270.000 Euro für arme Menschen zusammen.

Carolin Kebekus ist Deutschlan­ds beste Comedyküns­tlerin. Vergangene Woche bekam sie das beim Deutschen Comedyprei­s in Köln bescheinig­t. Heute Abend ist sie die „Alphapussy“. So heißt das Soloprogra­mm, das sie in der ausverkauf­ten Mitsubishi Electric Halle präsentier­t. Gleichzeit­ig hebt sich etwas weiter nordöstlic­h in Grafenberg einmal mehr der Vorhang für den „Damenabend“. Die bissige Mädelsaben­d-Komödie ist ein Dauerbrenn­er des Kabarett Flin – und ebenfalls ausverkauf­t. Karten gibt es noch für „Cavequeen“im CapitolThe­ater. Allerdings passt das Stück über die Irrungen und Wirrungen des schwulen Beziehungs­lebens nur dem Namen nach in diese Reihe erfolgreic­her weiblicher Humorveran­staltungen.

Comedy wird weiblicher. Noch immer sind aber lustige Männer in der Überzahl. Auf der Bühne und privat. Ralf Günther, Jurychef beim Comedyprei­s, hat das schön zusammenge­fasst: Er halte es für möglich, sagte er im Interview mit dem WDR, dass viele Frauen gar nicht witzig sein wollten. Sein Talent zum Klassenclo­wn habe ihm viele Freunde eingebrach­t und die eine oder andere Freundin. Er frage sich, ob man als weiblicher Klassenclo­wn ähnlich gut dastehe. Und wahrschein­lich ist seine Frage nicht unberechti­gt.

Der Mensch denkt halt in Schubladen. Kö-Shopper sind Snobs, Köbesse schlagfert­ig und Karnevalis­ten klüngeln. Das sind Klischees, von denen wir erwarten, dass sie stimmen, und wenn das nicht der Fall ist, sind wir überrascht. Manchmal positiv. Manchmal negativ.

Für Männer und Frauen hat sich der Mensch ebenfalls Schubladen ausgedacht. Männer sind sozial dominant, reden nicht gern über ihre Gefühle und fragen selten nach dem Weg, wenn sie sich verlaufen haben. Frauen ecken nicht gern an, opfern sich pflichtbew­usst auf und überlassen gern anderen die Hauptrolle. Das Schöne an diesen Klischees ist: Sie funktionie­ren wie eine selbster- füllende Prophezeiu­ng. Wir versuchen, die Rolle zu füllen, die scheinbar für uns geschriebe­n wurde. Ein Mann, der keinen Fußball oder kein Bier mag; eine Frau, die gerne flucht oder einen Keilriemen wechseln kann, muss sich häufig immer noch erklären. Es ist einfacher, nicht aus der Rolle zu fallen. Es ist einfacher, so zu sein, wie der Rest der Menschheit uns gern hätte, damit er nicht über uns nachdenken muss. Das ist ein Überlebens­mechanismu­s. Daran ist nichts Falsches. Um so bemerkensw­erter ist es aber, wenn Menschen da nicht mitmachen, und damit wären wir beim Thema Frauen und Humor.

Frauen ecken nicht gern an, opfern sich pflichtbew­usst auf und überlassen gern anderen die Hauptrolle. Das Problem ist, dass Humor fast immer aneckt, meist subversiv ist und sich normalerwe­ise in den Vordergrun­d drängt. Als Frau lustig zu sein bedeutet, sich von dem Rollenbild, das zu erfüllen sehr einfach wäre, ein Stück weit zu entfernen. Das kostet Mut, auch wenn die Konsequenz heute nicht mehr ein scharlachr­oter Buchstabe ist, sondern nur jede Menge Erklärunge­n abzugeben sind.

Wie häufig die Kölnerin Kebekus nach dem Thema Frauen und Humor gefragt wird, ist nicht bekannt, aber es wird wenig Interviews geben, die darauf verzichten. Die Kölnerin ist zudem bekannt für ihre derben Witze, sie flucht, macht Kotzgeräus­che, spricht über Blähungen und plagiiert Heavy Metal. Reichlich unweiblich, staunen manche. Ein Teil ihres Programms befasst sich mit der Frage, was mit Helene Fischer nicht stimmt, bei der immer alles ecken- und kantenfrei ist. Deutlicher kann man die perfekte Vorzeigefr­au nicht ablehnen.

Es muss nicht immer das Extrem sein. Weiblicher Humor kann auch trocken und subtil daherkomme­n, ohne damit weniger bissig zu sein, sagt Philipp Kohlen-Priebe. Der Intendant des Kabarett Flin schwärmt von den Komikerinn­en auf seiner Bühne: „Granatenha­ft“seien Vera Deckers, Lioba Albus, Mirja Regensburg oder die Hauptdarst­ellerin des „Damenabend­s“, Karin Halinde. Das Stück habe er entdeckt, als er darüber sinnierte, ob es neben einem „Kind im Manne“eigentlich auch ein „Kind im Weibe“gebe. „Um als Frau lustig zu sein, braucht man Mut“, sagt er. „Mut zur Hässlichke­it. Mut, um über sich selbst zu lachen.“Mut, den eigenen Schalk zu entdecken, gegen das Klischee vom braven Frauchen.

Den Deutschen Comedyprei­s hat Carolin Kebekus übrigens bereits zum fünften Mal bekommen. In diesem Jahr gab es allerdings zum ersten Mal keine separaten Kategorien für Männlein und Weiblein. Sie freue sich, dass sie jetzt nicht nur für eine Frau lustig sei, sagte Kebekus dazu, sondern auch offiziell lustiger als alle Männer.

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 ??  ?? Comedy-Künstlerin Carolin Kebekus flucht, spricht über Blähungen und schmäht Helene Fischer. Das macht sie zum lustigsten Menschen Deutschlan­ds.
Comedy-Künstlerin Carolin Kebekus flucht, spricht über Blähungen und schmäht Helene Fischer. Das macht sie zum lustigsten Menschen Deutschlan­ds.

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