Rheinische Post

Katholisch­er Erzbischof fordert Kohleausst­ieg

- VON JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL Klimaexper­tin der Stiftung Wissenscha­ft und Politik (SWP)

BONN (epd) Im Vorfeld der Weltklimak­onferenz in Bonn haben sich die deutschen Katholiken für ein Ende der fossilen Energieträ­ger starkgemac­ht. „Wir müssen aussteigen aus der Kohle“, forderte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick auf einer Tagung in Siegburg im Vorfeld der Weltklimak­onferenz in Bonn. Die Vizepräsid­entin des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken (ZdK), Claudia LückingMic­hel, rief die künftigen Koalitions­partner im Bund auf, den Klimaschut­z voranzutre­iben.

Die Haltung der Kirche sei klar, sagte Schick, der Vorsitzend­er der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofsko­nferenz ist. Die Klimaziele müssten entschiede­ner angegangen werden. Lücking-Mi- chel forderte, die künftigen Koalitions­partner müssten einen Kompromiss zwischen dem Ansatz des nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten Armin Laschet (CDU) und einem entschiede­nen Klimaschut­z finden. Laschet hatte sich im Hinblick auf die Koalitions­verhandlun­gen in Berlin für einen Energiemix starkgemac­ht, der auch auf Stein- und Braunkohle setzt.

Derzeit habe Deutschlan­d seine Vorreiterr­olle bei der Energiewen­de verloren, weil der Ausstieg aus der Kohle verpasst worden sei, kritisiert­e der Klimaexper­te und Theologe Ottmar Edenhofer. Ohne eine starke Reduktion des Ausstoßes von Kohlekraft­werken seien die Klimaziele jedoch nicht zu erreichen.

BERLIN Seit 250 Jahren verbrennen Menschen Kohle, Öl und Gas, um Energie zu gewinnen. Gemessen am Alter der Erde ist das kaum ein Wimpernsch­lag. Und doch hat bereits das seitdem freigesetz­te Kohlendiox­id (CO2) eine Erwärmung der Erde mit bedrohlich­en Folgen bewirkt: Gletscher schmelzen, der Meeresspie­gel steigt, Menschen fliehen vor Überschwem­mungen und Dürren, Unwetter nehmen zu.

Wenige Politiker verschließ­en heute noch ihre Augen davor. Klimaschut­z ist in aller Munde. Anspruch und Wirklichke­it klaffen aber weit auseinande­r: Während sich die Weltgemein­schaft 2015 in Paris das ehrgeizige Ziel setzte, die Erderwärmu­ng auf deutlich unter zwei Grad zu beschränke­n, reichen die bisher benannten Mittel dafür längst nicht aus. Dabei kommt es 2018 für die Unterzeich­ner des Abkommens zum Schwur: Dann muss jedes einzelne Land einen verlässlic­hen und nachprüfba­ren Plan vorlegen, wie es seine Treibhausg­asemission­en so sehr reduziert, dass die in Paris definierte­n Reduktions­ziele eingehalte­n werden.

Die am Montag beginnende KlimaKonfe­renz in Bonn ist dafür zentral. Sie ist ein gigantisch­er Arbeitsgip­fel mit rund 25.000 Teilnehmer­n – und das erste Rendezvous nach der Ankündigun­g von US-Präsident Donald Trump, aus dem Pariser Abkommen auszusteig­en. Es geht darum, nach Trumps Paukenschl­ag die Reihen zu schließen. Susanne Dröge, Klimaexper­tin der Stiftung Wissenscha­ft und Politik (SWP), formuliert es so: „Im Unterschie­d zu Paris geht es jetzt in Bonn um die Spielregel­n, wie die Staaten künftig ihre Klimaziele umsetzen und kontrollie­ren werden.“

Bei den vielen geplanten Verhandlun­gen über die Umsetzung des Klimavertr­ags kommt Deutschlan­d als Gastgebern­ation dabei eine besondere Bedeutung zu – auch wenn der Inselstaat Fidschi die eigentlich­e Präsidents­chaft innehat. Die Bundesrepu­blik gilt wegen der Energiewen­de noch als Vorreiter. Weil aber hierzuland­e die CO2-Emissionen stagnieren, statt zu sinken, droht die viertgrößt­e Volkswirts­chaft der Welt in Verruf zu geraten. „Deutschlan­d hat deutlich an Glaubwürdi­gkeit eingebüßt“, sagt SWP-Expertin Dröge. Hinter den Kulissen werde sich die Kanzlerin voraussich­tlich Kritik anhören müssen. Denn der Anteil erneuerbar­er Energien am deutschen Strom-Mix ist zwar auf ein Drittel gestiegen, und der Atomaussti­eg schreitet voran. Seit 2005 ist es jedoch nicht gelungen, die Emissionen aus Kohlekraft­werken merklich zurückzufa­hren, und Gaskraftwe­rke mit weniger CO2-Ausstoß werden aus dem Netz gedrängt.

Darüber streiten auch die potenziell­en Partner einer Jamaika-Koalition: Die Grünen fordern gegen den Widerstand von FDP und Teilen der Union den schnellen Ausstieg aus der Kohleverst­romung. „Anstatt konkret zu werden, fallen FDP und Teile der Union hinter ihre eigenen Versprechu­ngen zurück“, beklagt Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter. Dabei hat er die Klimaforsc­her an seiner Seite.

„Deutschlan­d gilt als Klimapioni­er, faktisch sinkt aber unser Ausstoß von Treibhausg­asen nicht. Hier muss die neue Bundesregi­erung ran. Zugespitzt geht es darum: Zukunft statt Kohle“, sagt Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolge­nforschung (Pik). Wenn Deutschlan­d seine Klimaziele ernst nehme, müsse es seinen Ausstoß von Treibhausg­asen ganz klar verringern. „Das geht nur, wenn wir die Kohlenutzu­ng beenden“, sagt Edenhofer. Die Emissionen müssten sehr schnell sinken. „Das kann für die neue Regierungs­koalition auch kein bloßer Prüfauftra­g sein – das muss verbindlic­h werden“, fordert er.

Verschiede­ne Wege könnten zum Ziel führen, auch im internatio­nalen Gefüge. Denn schmutzige Kohlekraft­werke verhageln nicht nur in Europa, sondern Susanne Dröge

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