Rheinische Post

Der Brasilien-Stammtisch von Oberbilk

Regelmäßig treffen sich Brasilien-Fans und solche, die es werden wollen, im Boteco Carioca an der Eisenstraß­e. Dabei geht es vor allem um die Hilfsproje­kte des Fördervere­ins Pro Brasil.

- VON MARC INGEL

OBERBILK Es ist ein windiger Herbstaben­d an der Eisenstraß­e, doch wer die Boteco Carioca betritt, fühlt sich sogleich vom brasiliani­schen Flair des kleinen Restaurant­s in sonnige Gefilde versetzt. Zu der Überzeugun­g, dass das Leben es gut mit einem meint, kommt spätestens, wer von den Gerichten Jacqueline Monteiros – etwa Muqueca de Peixe (Fisch in Kokosmilch) oder Mandioca com verduras (Gemüsepfan­ne mit Maniok und Schafskäse) – kostet. Danach vielleicht noch zwei oder drei Caipirinha­s, und alles ist perfekt.

Weniger gut meint es das Leben mit Menschen in den Favelas von São Paulo. Am Stadtrand des Molochs mit 20 Millionen Einwohnern herrschen Armut und Elend. Das erkennt auch der Dominikane­r Uwe Weibrecht, als er in den 1990er Jahren nach Brasilien kommt. Er lässt sich zum Krankenpfl­eger ausbilden, gründet den Verein Pro Brasil, initiiert und koordinier­t fortan Projekte, die neben der Förderung von Gesundheit und Bildung vor allem die Hilfe zur Selbsthilf­e als konkretes Ziel haben. Und Düsseldorf wird zur Keimzelle des Vereins.

Im Dominikane­rkonvent an der Andreasstr­aße haben die insgesamt 36 Mitglieder ihr Domizil, „wir genießen dort Gastrecht“, sagt Sprecherin Sigrid Berger. Das Boteco Carioca ist so etwas wie die ausgelager­te Zweigstell­e, wo geplant, Ideen geschmiede­t, aber eben auch einfach nur gelebt wird. Auf brasiliani­sche Art, versteht sich. Daher kommen auch gerne Brasiliane­r – etwa 2000 Zugezogene leben in der Region rund um Düsseldorf – zum Beispiel Mitglieder der Deutsch-Brasiliani­schen Gesellscha­ft, zu der Pro Brasil freundscha­ftliche Kontakte pflegt. „Aber es dominieren bei unserem Stammtisch natürlich die sozialen Projekte in Brasilien, die Suche nach Unterstütz­ern und die Finanzieru­ng durch Spenden“, erklärt Berger. Es begann 2001 mit einem kleinen Sozialzent­rum am Südrand von São Paulo, inzwischen hat der aufgeteilt­e Verein – Associação Martim de Lima wirkt direkt in São Paulo, Martim de Lima São Paulo von Düs- seldorf aus – allein drei Kinder- und Jugendzent­ren aufgebaut, in denen mehr als 500 Kinder betreut werden. Den Kindern werden Capoeira-, Theater- und Tanz-Kurse sowie Museumsbes­uche angeboten, es wird gemeinsam gelesen, Ausflüge und Wanderunge­n werden unternomme­n. Es gibt Computerze­ntren, eine Bibliothek, ein Krankenhau­s oder ein Nähzentrum, in dem Frauen berufliche Perspektiv­en aufgezeigt werden. „Und seit zwölf Jahren beteiligt sich sogar die Stadt São Paulo direkt an den Kosten, zahlt etwa die Lehrkräfte oder kommt für das Essen der Kinder auf, wir kümmern uns dann um den Rest“, erklärt Berger. Um die Arbeit von Pro Brasil vor Ort zu unterstütz­en, helfen immer wieder Freiwillig­e aus Deutschlan­d aus. Wie Sandy Schneider, die es bedauert, dass Visa nur für drei Monate ausgestell­t werden. „Ich hätte das Praktikum gerne verlängert“, sagt die BWL-Studentin, „die Arbeit dort hat mir unheimlich viel gegeben“. Sie hat Englisch unterricht­et, sich um administra­tive Aufgaben gekümmert, aber auch in Kitas mit den Kleinen getanzt oder gebastelt. „Ich war so ein bisschen die Ersatzmama“, erzählt Sandy Schneider. „Meine Verbindung und Liebe zu Brasilien sind seit dieser Zeit noch intensiver geworden.“

Auch sie kommt jetzt regelmäßig zum Stammtisch an die Eisenstraß­e. In der Boteco Carioca wird nicht nur gegessen, getrunken, gefeiert, sondern auch getanzt (vor allem Forró, der sinnliche Paartanz Brasiliens), und es gibt kleinere Livekonzer­te. Jacqueline Monteiro hat ihren Laden zu einer Art brasiliani­schem Kulturzent­rum in Düsseldorf ausgebaut. Und da passt es doch wunderbar, dass obendrein von Oberbilk aus viel Gutes für die Menschen in Brasilien getan wird.

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Deutsche und Brasiliane­r treffen sich mindestens einmal im Quartal in der Boteco Carioca, um vor allem über die Arbeit von Pro Brasil zu reden.

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