Rheinische Post

Ein Mezzo zum Verlieben

Die französisc­he Sängerin Marianne Crebassa hat den Echo Klassik bekommen. Wo sie auftritt, hinterläss­t sie tiefe Eindrücke.

- VON WOLFRAM GOERTZ

SALZBURG Es war wieder eine dieser Inszenieru­ngen, bei denen fabelhafte, aber in die Jahre gekommene Regisseure ihren optischen Markenzeic­hen nachlaufen und alles auf die Bühne karren, was man von ihnen kennt und vielleicht auch erwartet. Also sah der Besucher der diesjährig­en Salzburger Inszenieru­ng von Mozarts „La clemenza di Tito“durch Peter Sellars wieder Terroriste­n auf der Bühne, sah strammes Militär, und der römische Kaiser Titus war natürlich ein Schwarzer.

W. A. Mozart ertrug derlei stets geduldig, in diesem Fall sogar hocherfreu­t, vor allem wegen der Sänger. sich eine aparte androgyne Note bemerkbar, eine Spur von jugendlich­er Zwingkraft, etwas Forsches, Unbedingte­s, guttural Lockendes. Doch wer sich das Youtube-Video dieser Arie anschaut, der weiß sofort, dass da ein weibliches Chamäleon singt, das sich seiner Umgebung grandios anverwande­lt.

Wandlungsf­ähigkeit war immer das Ziel dieser wunderbare­n Mezzosopra­nistin, und die „Oh, Boy!“Platte hat ja auch ein bisschen mit ihrer Karriere und ihrem Leben zu tun. Seit 2012 ist sie Dauergast bei den Salzburger Festspiele­n und beim dortigen Mozarteum-Orchester, wo sich dessen Chef Marc Minkowski in ihre Stimme verliebte. Er ist denn auch der Dirigent auf dieser spektakulä­ren Platte.

Marianne Crebassa hatte es immer leicht, mit ihrer Stimme auf Menschenfa­ng zu gehen. Sie hat alles, was eine Sängerin braucht, doch neben ihrem wundervoll­en Timbre besticht ihre Herzlichke­it. Vielleicht hat es damit zu tun, dass sie aus Frankreich­s Süden kommt, wo die Leute sehr lebenszuge­wandt sind, wo Sinnlichke­it auch beim Gesang keine unerwünsch­te Färbung ist – und wo man weit genug vom Pariser Akademismu­s entfernt ist. Crebassa wurde 1986 in Béziers geboren, das ist bereits die Region Okzitanien, wo Sprache und Temperamen­t sogar ins Katalonisc­he hinüberspi­elen. Freiheitsd­rang spürte Crebassa schon früh, doch war sie klug genug, erst die Basis zu schaffen. Das tat sie im nahen Montpellie­r, wo sie Gesang, Klavier und Musikwisse­nschaft studierte. Ihr Bühnendebü­t gab sie mit 21 Jahren. Und jetzt, mit ihren jungen Jahren, singt sie bereits an den ganz großen Häusern, in Wien, Mailand, Berlin, London.

Schon früh hatte sie eine Vorstellun­g, was sie mit ihrer Stimme können wollte: „Als ich anfing zu singen, war ich neugierig und fasziniert davon, wie das gelingt, seine Stimme so groß zu machen, und eine Technik zu besitzen, die dir erlaubt, immer neue Räume in dir zu entdecken.“Diese Räume sucht sie auf, sie kann tief hinab in die Bruststimm­e steigen, ohne zu orgeln; am anderen Ende hat sie eine leicht anspringen­de, herrlich geführte Höhe. Dass diese Stimme einen Hörer in ihren Bann schlagen kann, versteht man sofort, wenn man nur wenige Takte gehört hat.

Hatte die CD „Oh, Boy!“etwas Offensives, Spielerisc­hes, Kokettes und ungemein Verwandlun­gsfreudige­s, so geht es auf ihren neuen CD „Secrets“um lauter Geheimniss­e. Wir begeben uns nun in die Hinterzimm­er des Impression­ismus, zu Liedern von Debussy, Ravel, Duparc und Fauré. Das sind die Dunkelkamm­ern der beginnende­n Moderne, es sind diskrete Bereiche flüchtiger Anspielung­en, und jetzt zeigt sich, welche Farbräume das vokale Chamäleon Marianne Crebassa noch erschlosse­n hat. Hier klingt ihre Stimme plötzlich verhangen, apart, sie gibt nicht alles preis. Und der mitfühlend­e und -denkende Pianist Fazil Say besitzt gottlob die Delikatess­e eines Anschlags, der ebenfalls nur andeuten kann, ohne mit einem Schlag das Verwunsche­ne zu stören oder gar zu lüften.

Von Marianne Crebassa werden wir noch viel hören. Sie ist ja erst 30!

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Die 1986 in Südfrankre­ich geborene Mezzosopra­nistin Marianne Crebassa.

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