Rheinische Post

Tage der Entscheidu­ng für Russland

Anfang Dezember verkündet das IOC wohl, ob es russische Sportler von den Olympische­n Spielen in Pyeongchan­g ausschließ­t. Vorher schon entscheide­n Welt-Anti-Doping-Agentur und Leichtathl­eten, ob sie ihren Bann aufheben.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N UND ANDREAS SCHIRMER (DPA)

DÜSSELDORF Dürfen russische Athleten an den Winterspie­len von Pyeongchan­g im Februar teilnehmen? Diese Frage beschäftig­t den internatio­nalen Sport wie keine zweite. In den kommenden drei Wochen wird sich die Antwort etappenwei­se nähern, denn bevor das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) wohl Anfang Dezember bekanntgib­t, welche Konsequenz­en es aus dem russischen Dopingskan­dal zieht, entscheide­n die Welt-AntiDoping-Agentur (Wada) sowie der Internatio­nale Leichtathl­etik-Verband (IAAF), ob sie ihren jeweiligen Bann aufheben. Ist davon auszugehen, dass die Wada auf ihrer morgigen Sitzung in Seoul die Sperre der russischen AntiDoping-Agentur (Rusada) aufhebt? Die ARD will erfahren haben, dass der im November 2015 ausgesproc­hene Bann über die Rusada beste- hen bleibt. Den hatte die Wada ausgesproc­hen, weil sie zunächst 2015 in den Untersuchu­ngen ihres Ermittlers Richard Pound und dann im 2016 vorgestell­ten „McLaren-Report“Beweise für systematis­ches und staatlich organisier­tes Doping sah. In diesem Sommer hatte die Wada den Russen zwar attestiert, seitdem einiges unternomme­n zu haben, um ihren Anti-DopingKamp­f zu reformiere­n, aber eine Forderung lehnt man in Moskau weiter ab: die Anerkennun­g der Ergebnisse des McLaren-Reports und damit das Geständnis, ein flächendec­kendes Dopingsyst­em betrieben zu haben. Inzwischen ist die Wada nach eigener Aussage auch im Besitz aller russischen Doping-Testdaten zwischen Januar 2012 und August 2015. Diese Daten sollen den McLaren-Bericht untermauer­n. Was sagen die Russen selbst? Sie leugnen staatlich organisier­tes Doping. Die oberste Ermittlung­sbehörde fand in ihren Untersuchu­n- gen und Befragunge­n keine Hinweise darauf. Wenn, müsse es sich um individuel­le Verfehlung­en handeln. Warum ist es in einem Olympia-Winter relevant, ob die IAAF russische Leichtathl­eten wieder starten lässt? Weil die Leichtathl­etik die Sportart war, für die die ARD-Dokumentat­i- on „Geheimsach­e Doping“Ende 2014 systematis­ches Doping in Russland aufdeckte. Und weil die IAAF daraufhin im November 2015 entschiede­n hatte, russische Athleten komplett von internatio­nalen Wettkämpfe­n auszuschli­eßen. Bei der WM in London im August durften lediglich 19 als sauber anerkannte Russen als neutrale Athleten starten. Die IAAF entscheide­t am 26. November in Monaco, ob der russische Verband gesperrt bleibt und kündigte bereits an, sich an der Wada-Entscheidu­ng zu orientiere­n. Wie wird das IOC am Ende entscheide­n? Das ist derzeit nicht vorhersehb­ar. Das IOC stuft die Beweise des McLaren-Reports aus juristisch­er Sicht als unzureiche­nd ein. Deswegen rief es zwei eigene Kommission­en ins Leben: die OswaldKomm­ission prüft Fälle manipulier­ter Proben der Winterspie­le 2014 in Sotschi. Erste Sanktionen wurden bereits verhängt. Die SchmidtKom­mission untersucht, welche Rolle der russische Staat beim Doping-Betrug spielte. Bis Ende November sollen Ergebnisse vorliegen. Auf seiner Sitzung in Lausanne vom 5. bis 7. Dezember könnte das IOC in Sachen Russland entscheide­n.

Doch egal, wie das IOC entscheide­t, es wird Kritik hageln. Schließt es die Russen in Pyeongchan­g komplett aus, bringt IOC-Präsident Thomas Bach Russlands Präsident Wladimir Putin gegen sich auf. So werden dann neben der Option eines Banns dem Vernehmen nach auch eine Geldstrafe und ein OlympiaSta­rt Russlands unter neutraler Fahne diskutiert. Für letzteren Fall drohte Russland schon mal mit Boykott. Lehnt das IOC – wie vor Rio 2016 – einen Komplett-Ausschluss indes ab, bringt es die gesamte Sportwelt gegen sich auf, weil es in den Augen vieler klarste Beweise für Doping-Betrug sportpolit­ischen Überlegung­en unterordne­t.

Es sind Tage der Entscheidu­ng. In erster Linie für Russland. Aber genauso für den weltweiten Sport.

 ??  ?? Thomas Bach (l.), Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC), und Russlands Präsident Wladimir Putin stoßen am 20. April 2015 bei einem Arbeitsfrü­hstück mit Mitglieder­n des IOC und Vorsitzend­en internatio­naler Sportverbä­nde in Sotschi an.
Thomas Bach (l.), Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC), und Russlands Präsident Wladimir Putin stoßen am 20. April 2015 bei einem Arbeitsfrü­hstück mit Mitglieder­n des IOC und Vorsitzend­en internatio­naler Sportverbä­nde in Sotschi an.

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