Der Pop geht in die Politik
Immerhin: Die Welt ist nicht untergegangen. Aber sie ist im Umbruch. Das spiegelt sich auch im Musikjahr 2017 wider. Gewissheiten schwinden, alte Helden verlieren ihren Zauber, eine neue Generation könnte Großes vollbringen.
Wer über 2017 spricht, wird nicht an den beiden Liedern vorbeikommen, die acht Monate lang an der Spitze der deutschen Charts standen. Das eine ist „Shape Of You“von Ed Sheeran. Der lässt mit seinem Album „Divide“Akustikgitarrenverkäufe in die Höhe schnellen und belegt in England zeitweise neun Plätze der Top Ten. Doch später schlägt das Karma zurück. Bei einem Fahrradunfall bricht er sich beide Arme, dazu sorgt sein Auftritt in „Game Of Thrones“für jede Menge Spott. Der Engländer mag die Welt erobert haben; Westeros ist die ungleich härtere Nuss.
Nur ein Lied ist beliebter: „Despacito“von Luis Fonsi wird überall und jederzeit gehört, was in diesen Tagen heißt: gestreamt. Innerhalb weniger Monate schauen sich fast fünf Milliarden Menschen das Video auf Youtube an und machen den Clip damit zum erfolgreichsten aller Zeiten. und Sheryl Crow zeigen, wie allumfassend das Problem mit Sexismus ist. Idiot des Jahres ist Josh Homme, der während eines Konzerts seiner Band Queens Of The Stone Age einer Fotografin gegen den Kopf tritt. Morrissey verteidigt Harvey Weinstein und den Brexit und nennt Berlin eine Vergewaltigungshauptstadt. Bono von U2 ist in die Steueraffäre der „Paradise Papers“verstrickt, weitaus schwerer wiegt jedoch das lustlose Rummucken seiner Band.
Viele alte Helden sind also entzaubert. Wer sind die neuen? Sicher zählt Sampha mit seinem fantastischen Soul dazu. Kendrick Lamar steigt endgültig zum wichtigsten Rapper seiner Generation auf. Kelela erfindet R’n’B neu. Der gerade mal zwanzigjährigen Lorde gelingt nach dem Überraschungsdebüt ein würdiges Zweitwerk. Bilderbuch zaubern mit „Magic Life“weiter und The xx brechen ihren hermetischen Sound auf. Harry Styles von One Direction emanzipiert sich von seiner Boyband-Vergangenheit und legt ei-