Rheinische Post

Von Kak-Tussen und Totenkopf-Frauen

Tausende Frauen haben gestern gefeiert – natürlich ohne Männer, wie sich das für Altweiber gehört.

- VON NICOLE KAMPE UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

Ein schnelles Frühstück hat es noch gegeben für die fünf Freundinne­n Johanna (24), Laura (25), Sabine (30), Julia (25) und Bianca (26) – ein paar Frikadelle­n und Milchbrötc­hen – bevor sie vors Rathaus gezogen sind. Schon seit der Schulzeit kommen sie her, haben einen festen Treffpunkt: „Am Popo vom Jan Wellem“, sagt Sabine, die sich zwei, drei Mal korrigiert, bevor der Satz druckreif ist. Als Kakteen haben sich die Fünf verkleidet, „Kak-Tussen halt“, sagt Julia – alle kichern, prosten sich zu. Zum ersten Mal haben sie ein Gruppen-Kostüm, dafür eine gefühlte Ewigkeit hellgrüne Pfeifenrei­niger durch kleine Schlitze im dunkelgrün­en Pulli gefädelt, „sechs Stunden haben wir gebraucht“, erzählt Johanna, die wie ihre Freundinne­n Single ist, die wie alle flirten wird. Das Kostüm muss stimmen, sind sich die Mädels einig, „SWAT oder SEK gehen gar nicht und auch keine hautengen Gymnastika­nzüge“, findet Laura, selbst gemacht sollte es schon sein, „vielleicht als Frau verkleidet“, meint Bianca. Das zeigt, dass der Mann Humor hat.

Singles sind die Totenkopf-Frauen Kerstin, Astrid (beide 41), Steffi (43), Sandra (46) und Gaby, die mit ihren 59 schon eine kleine „Ausreißeri­n“in der Gruppe ist, wie die anderen sagen, und die gleich gedrückt wird für so viel Unverschäm­theit am frühen Morgen, keine mehr. „Aus Bochum kommen wir“, sagt Gaby, „neiiin, aus Wattensche­id“, rufen die anderen. „Du kannst doch nicht Bochum sagen, Gaby“, schimpfen die Freundinne­n, die sich über die Schulen der Kinder und vom Fußballver­ein der Männer kennen. 15 Jahre feiern sie schon zusammen, waren auch ein paar Mal in Düsseldorf unterwegs, ohne Männer, „die hüten die Kinder, wie sich das gehört“, sagt Astrid.

Ein Prosit darauf mit dem Bier aus dem feuerroten Kelch – TotenkopfF­rauen trinken nicht aus der Dose. Dicke Mäntel tragen sie unter ihren Umhängen, Handschuhe, Ski-Unterwäsch­e – übrigens das Musthave in diesem Jahr –, Strumpfhos­en, drei bis vier paar Socken und allerlei Pullis. Selten ist es so kalt gewesen an Altweiber, finden sie und fürchten schon die Schlangen vor den Toiletten, „Pipi machen dauert heute länger“, sagt Sandra.

Da haben es Lea und Miriam (beide 19) ein bisschen leichter in ihren sommerlich­en Outfits. Lea ist Blume, Miriam passend dazu Gärtnerin. Die Kälte macht ihnen nichts aus, und zur Not ist auch noch Freundin Bea dabei, die Bibi Blocksberg mimt und sicher schon den passenden Zauberspru­ch parat hat. Die Igel-Gruppe vom Carlsplatz greift da auf ein anderes Hausmittel­chen zurück: „Ein Pinnchen hilft immer“, sagt die 80 Jahre alte Uschi, die seit 30 Jahren mit Kerstin (56), Silvia (62) und Brigitte (66) an Altweiber loszieht. Wie immer wird vorher gefrühstüc­kt – Sektchen, Brötchen und auch Pinnchen. Die Frisuren sind gekauft, die KaroHemden aus dem Schrank vom Ehemann gemopst – fertig ist die Igel-Gruppe, die fleißig vor der Bühne schunkelt und singt und japst und trinkt, bevor es am Nachmittag weitergeht durch die Altstadt.

Gaby (54) und Birgit (51) wollen sich dagegen treiben lassen. Die beiden Frauen tragen das wohl beste Kostüm des Tages – verrückte Hutmacher aus Alice im Wunderland sind sie, alles selbst gemacht, „Birgit ist die Künstlerin“, sagt Gaby anerkennen­d. Struppige rote Perücken, verzierte Hüte, die so hoch sind, dass sich die beiden ducken müssen, um unfallfrei unter Türrahmen durchzukom­men, ein gruseliges Make-up, grelle Kontaktlin­sen, schwarz bemalte Zähne. Eigentlich wären sie zu viert, zwei sind aber krank geworden. Und so schauen Gaby und Birgit einfach mal, was so passiert an Altweiber und in welcher Kneipe die Decken hoch genug sind.

 ??  ?? Die Totenkopf-Frauen Kerstin, Astrid, Steffi, Sandra und Gaby (v.l.) sind aus Wattensche­id gekommen, um vor dem Rathaus pünktlich um 11.11 Uhr mit den feuerroten Kelchen anzustoßen.
Die Totenkopf-Frauen Kerstin, Astrid, Steffi, Sandra und Gaby (v.l.) sind aus Wattensche­id gekommen, um vor dem Rathaus pünktlich um 11.11 Uhr mit den feuerroten Kelchen anzustoßen.
 ??  ?? Sonnenblum­e Lea und Gärtnerin Miriam kennen sich aus dem Fußball-Verein und feiern schon seit ein paar Jahren zusammen Karneval.
Sonnenblum­e Lea und Gärtnerin Miriam kennen sich aus dem Fußball-Verein und feiern schon seit ein paar Jahren zusammen Karneval.
 ??  ?? Gleich zwei verrückte Hutmacher: Birgit (r.) hat für sich und Freundin Gaby die Kostüme gemacht.
Gleich zwei verrückte Hutmacher: Birgit (r.) hat für sich und Freundin Gaby die Kostüme gemacht.
 ??  ?? Die Kakteen oder wie sie sich selbst nennen: Kak-Tussen. Johanna, Laura, Sabine, Julia und Bianca (v.l.) haben zum ersten Mal eine Gruppen-Verkleidun­g.
Die Kakteen oder wie sie sich selbst nennen: Kak-Tussen. Johanna, Laura, Sabine, Julia und Bianca (v.l.) haben zum ersten Mal eine Gruppen-Verkleidun­g.
 ??  ?? Die Flamingo-Ladys Bettina und Petra (v.l.) schunkeln zur Musik auf dem Carlsplatz.
Die Flamingo-Ladys Bettina und Petra (v.l.) schunkeln zur Musik auf dem Carlsplatz.
 ??  ?? Immer Lächeln: Bärbel (r.) mit Mama Marianne als Smileys
Immer Lächeln: Bärbel (r.) mit Mama Marianne als Smileys

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