Rheinische Post

Schüler putzen Stolperste­ine

Die Bezirksver­tretung 4 hatte zum Rundgang durch Oberkassel eingeladen.

- VON HEIDE-INES WILLNER

OBERKASSEL Er könnte zur Tradition werden. Denn der Rundgang zu den zehn Stolperste­inen, zu dem diesmal alle Parteien der linksrhein­ischen Bezirksver­tretung eingeladen hatten, fand großes Interesse. Etwa 40 bis 50 Bürger hatten sich am Werner-Pfingst-Platz versammelt und machten sich unter Führung von Bezirksver­treter Markus Loh (Grüne) auf den Weg durch den alten Teil Oberkassel­s. Denn an Cherusker-, Wildenbruc­h-, Salier-, Düsseldorf­er Straße, am Kaiser-Wilhelm-Ring, Luegallee haben sie gewohnt – die von den Nazi-Schergen vertrieben­en, gefolterte­n und ermordeten Oberkassel­er Mitbürger jüdischen Glaubens. In Gedenken an die Opfer hat der Künstler Gunter Demnig die „Stolperste­ine“in die Gehwege vor deren einstigen Wohnungen gesetzt.

Die Strecke wurde aber nicht einfach nur abgelaufen. Vielmehr griffen die Teilnehmer zu Putzlappen, um die verwittert­en Steine zu säubern. Loh und die Heerdter Künstlerin Nele Waldert hatten dazu eine Paste aus Wasser, Essig und Mehl zusammenge­rührt, die nur mit größtem Körpereins­atz zum Ergebnis führte. Erst als jemand ein profession­elles Putzmittel aus der Tasche zog, ging die Arbeit flott von der Hand, wurden die Namen der Opfer gut sichtbar.

Ergänzend zur Putzaktion lasen Mädchen und Jungen der Klassen 8, 9 und 10 des Cecilien-Gymnasiums aus den Biografien der einstigen Nachbarn. „Das Thema behandeln wir im Geschichts­unterricht“, erklärte Lehrer Sven Holly. Namen wie Max und Irma Rosenberg, Luegallee 12, Julius und Sophie Markus, Cheruskers­traße 44, Georg oder Frieda Lindemeyer, Salierstra­ße 4, wurden genannt. Und Katja Uhlig dachte beim Rundgang an ihre Urgroßmutt­er Rosa Blumenthal. „Sie hat in Berlin gelebt. Ich habe dort einen Stolperste­in verlegen lassen“, sagte sie.

Auch an Heinrich Pfingst, der mit seiner großen Familie an der Cheruskers­traße 46 zuhause war, wurde erinnert. Er war 1943 im Vernichtun­gslager Sobibór ermordet worden. Tochter Anni und Sohn Werner gelang die Emigration in die USA. Werner Pfingst kam im Frühjahr 1945 als amerikanis­cher Soldat in seine Heimatstad­t zurück. Nach ihm wurde der „Werner-PfingstPla­tz“benannt. Zur Einweihung des Platzes war seine Tochter Ellen aus den USA angereist.

Loh versäumte aber nicht, auf die Obdachlose­n hinzuweise­n, die ebenfalls von den Nazis verfolgt wurden. „Es ist nur schwer möglich, ihnen einen Stolperste­in zu widmen“, sagte Loh. Der wohl bekanntest­e in Oberkassel sei Pitter Muggel gewesen, der auf den Rheinwiese­n in einer Hütte lebte. Nach ihm wurde das Café Muggel benannt.

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Schülerinn­en und Schüler des Cecilien-Gymnasiums haben mit ihrem Lehrer Sven Holly (Mitte) an der Stolperste­in-Aktion teilgenomm­en.
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