Rheinische Post

Chinesen greifen nach Daimler, deutschen Stromnetze­n und Banken. Eine Gefahr?

Der Einstieg von Geely bei Daimler sorgt für Unruhe, denn die Chinesen wollen aktiv mitmischen. Bundesregi­erung und Finanzaufs­icht sind wachsam. Auch in anderen Branchen wie der Energie kaufen die Chinesen ein.

- VON ANTJE HÖNING UND BRIGITTE SCHOLTES

STUTTGART Der heimliche Einstieg des chinesisch­en Milliardär­s Li Shufu bei Daimler wirft viele Fragen auf. Was bezweckt der Chef des chinesisch­en Autobauers Geely? Will Shufu in den Aufsichtsr­at? Darf eine Perle der deutschen Industrie in chinesisch­e Hand gelangen? Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries (SPD) will den Deal aufmerksam verfolgen. Es wäre problemati­sch, wenn Daimler per Geely-Vertreter einen Konkurrent­en in den Aufsichtsr­at ließe. Doch Zypries’ Spiel- räume sind begrenzt. Laut Gesetz hat die Bundesregi­erung erst bei einem Anteil von 25 Prozent das Recht, ein Engagement zu prüfen und zu untersagen. Li Shufu hat 9,7 Prozent erworben.

Zudem gilt das Eingriffsr­echt nur bei strategisc­h wichtigen Industrien, zu der die Autoindust­rie nicht zwingend zählt. Der Staat prüft dagegen bei Fusionen von Strom- und Wasservers­orgern, von Telekommun­ikations- oder Rüstungsun­ternehmen. Er kann Deals untersagen oder mit Auflagen versehen. So hat das Wirtschaft­sministeri­um 2016 die Übernahme des Augsburger Roboterher­stellers Kuka durch den chinesisch­en Hausgeräte-Konzern Midea geprüft – und grünes Licht gegeben. Es gebe keine Anhaltspun­kte, dass die öffentlich­e Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepu­blik gefährdet werde, hieß es. Dagegen scheiterte­n Chinesen 2016 mit der Übernahme des Aachener Maschinenb­auers Aixtron – wenn auch am Einspruch der US-Regierung: Sie drohte, Aixtron vom USMarkt auszuschli­eßen.

Chinesisch­e Investoren sind in vielen Branchen auf Einkaufsto­ur. Sie haben den Autozulief­erer Kiekert aus Heiligenha­us ebenso übernommen wie Eons Müllverbre­nnung „Energy from Waste“. Die Bank Hauck & Aufhäuser ging an den Investor Fosun. Just streckt der chinesisch­e Netzkonzer­n SGCC die Hand nach dem Höchstspan­nungsnetz von 50 Hertz in Ostdeutsch­land aus. Das ist wichtig für die Versorgung­ssicherhei­t und wäre ein klarer Fall für staatliche Kontrolle.

Dass sein Deal hochpoliti­sch ist, weiß auch Li Shufu. Heute will er im Kanzleramt vorspreche­n, gestern soll er sich mit Daimler-Chef Dieter Zetsche getroffen haben. Der Einstieg könne Daimler nur guttun, meint Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Ähnlich äußerte sich Union an Beijing Enterprise 9,7%97% an GeelGeely-Gründer Li Shufu an HeBei LingYun Investment. Auch Volvo hat gute Erfahrunge­n gemacht: Geely hatte den angeschlag­enen schwedisch­en Autobauer 2010 übernommen – Volvo habe sich seither sehr gut entwickelt, so Pieper. Shufu führe das Volvo-Management an der langen Leine.

Die Arbeitnehm­er im DaimlerAuf­sichtsrat wollen den Einstieg der Chinesen genau beobachten, sind aber gelassen. Die Erfahrunge­n mit Eignern aus China seien bisher positiv, sagt Roman Zitzelsber­ger, IGMetall-Chef von Baden-Württember­g und Daimler-Aufsichtsr­at. „Chinesisch­e Investoren führen sich nicht wie die Axt im Walde auf.“

Dennoch bleiben Fragen. „Wie immer in solchen Fällen geht es letztlich um Technologi­etransfer“, schreibt Börsenbrie­fautor Hans Bernecker. Entspreche­nd fiel die Daimler-Aktie auch leicht. Shufu dürfte mit Daimler eine Allianz für autonomes Fahren und Elektromob­ilität schaffen wollen und ist vor allem an der Batteriete­chnologie der Schwaben interessie­rt sein. Li hatte laut Reuters Daimler bereits vor einem Jahr vorgeschla­gen, in Wuhan ein Joint Venture für Elektroaut­os aufzubauen. Daimler lehnt ab, auch um den bewährten Partner BAIC nicht zu vergrätzen. Daimler will mit BAIC in Peking für 1,5 Milliarden Euro ein Elektroaut­owerk bauen. Denn in China wird 2019 eine Elektroaut­oquote eingeführt.

Weil sich Daimler 2017 zierte, kam Li 2018 durch die Hintertür. Er erwarb die Anteile mit einer Mischung von Aktien und Optionen und konnte so die Meldeschwe­lle von drei Prozent umgehen. Die Finanzaufs­icht kündigte eine Prüfung an. Andere Autobauer müssen einen solchen Coup nicht fürchten, wie Branchenex­perte Stefan Bratzel betont. BMW kann auf die Familie Quandt zählen, Porsche und VW auf die Familien Piech und Porsche.

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