Mit dem Tretroller zum Kühlschrank
24 Menschen teilen sich in Pempelfort eine 1000 Quadratmeter große Wohnung. Ein Besuch in Düsseldorfs größter WG.
PEMPELFORT Für Boran Kirchner beginnt jeder Morgen sportlich. Den Weg von seinem Zimmer zum Bad und zur Küche absolviert er auf einem Tretroller. „So spart man Zeit“, sagt der 32-Jährige. Denn die Strecke von seinem Bett bis zum Kühlschrank misst rund 50 Meter. Ohnehin ist in seiner Pempelforter WG alles ein wenig größer als üblich. Die 1000 Quadratmeter große Wohnung teilt er sich mit 23 Mitbewohnern. Geduscht wird in Gemeinschaftsbädern, in der Küche stehen insgesamt fünf Kühlschränke.
Vor zweieinhalb Jahren kam Boran wegen seines Berufs nach Düsseldorf. Zu diesem Zeitpunkt kannte der gebürtige Hannoveraner niemanden in der Stadt. Ein Vollzeitjob macht die Suche nach Freunden nicht leichter. Dann entdeckte er im Internet eine Annonce: 32er-WG sucht Mitbewohner. Für Boran genau das Richtige. „Mir war es wichtig, auch Kontakte außerhalb meines Jobs zu knüpfen“, erzählt er. Damit entspricht er exakt der Zielgruppe der Wohngemeinschaft, die vor zwölf Jahren gegründet wurde und sich als Zuhause für zugezogene Berufsanfänger versteht. Die meisten bleiben ein bis zwei Jahre, bevor sie sich eine eigene Wohnung suchen. Doch der Kontakt zur WG bleibt auch danach bestehen.
Denn trotz der Größe dieser WG leben die Bewohner nicht aneinander vorbei, sondern miteinander. Abends nach der Arbeit treffen sie sich zu gemeinsamen Gesprächen oder zum Kochen in der Küche. „Je- den Samstagmorgen sehen wir uns zum gemeinsamen Brunch“, erzählt die 24-jährige Lisa Felix, die aus Schottland stammt. Ohnehin ist die Gemeinschaft sehr international. Knapp die Hälfte aller Bewohner kommt aus dem Ausland. Um bei der Menge an Leuten den Überblick zu behalten, hängt ein Raumplan mit Namen und Bild aller Bewohner an der Wand. Dort finden sich jedoch allerhand leere Plätze, da in den vergangenen Monaten einige Bewohner ausgezogen sind. Deshalb hält die Gemeinschaft aktuell nach neuen Bewohnern Ausschau, um wieder alle 32 Zimmer mit Leben zu füllen.
Neben der großen Menge an sozialen Kontakten bietet die WG auch andere Annehmlichkeiten. Über Putzpläne muss sich die Gemeinschaft beispielsweise keine Gedanken machen. Jede Woche kommt eine Reinigungskraft, um die Räume zu säubern. Auch sonst steht den Bewohnern allerhand Luxus zur Verfügung. Ein Raum wurde zu einer Sauna umgebaut, im gemeinsamen Fernsehraum gibt es Pay-TV. Doch das hat auch seinen Preis. Die Kosten für die Zimmer schwanken je nach Größe zwischen 250 und 500 Euro. Hinzu kommen 40 Euro für die WG-Kasse, mit dem Geld wird zum Beispiel die Reinigung und auch der wöchentliche Brunch finanziert werden.
Ganz ohne Eigeninitiative geht es aber nicht. Abspülen und Müllwegbringen müssen die Bewohner selbst erledigen. Statt auf einen strikten Plan setzt die WG jedoch auf ein Bonussystem. Wer freiwillig abspült oder Toilettenpapier kauft, bekommt auf einer großen Tafel in der Küche Bonuspunkte. Die zu sammeln, lohnt sich. Denn alle paar Monate bekommt der Fleißigste einen 30-Euro-Einkaufsgutschein zur Belohnung, der ebenfalls aus der WG-Kasse finanziert wird.
Aber das Leben in der Riesen-WG hat auch Nachteile. Trotz Reinigung und Belohnungssystem bleiben im Schutz der Anonymität auch mal Krümel und dreckiges Geschirr liegen. Im Flur und in der Küche ist eigentlich immer etwas los, so dass Ruhe selten ist. Zudem sind die Wände zwischen den Zimmern äußerst hellhörig. „Wenn ich niese, kann es auch mal passieren, dass mir jemand aus einem Nachbarzimmer Gesundheit wünscht“, berichtet Boran. Ohne ein hohes Maß an Toleranz ist das Zusammenleben schwer. An einen Auszug denken Boran und Lisa deshalb aber nicht. „Für mich ist die WG der perfekte Ort zum Leben“, erklärt Boran Kirchner.