Der Korea-Coup
Donald Trump will sich mit Kim Jong Un treffen. Die Ankündigung weckt Hoffnungen, ist aber hochriskant. Geht die Sache schief, droht Krieg.
Ist dies nun einer dieser Augenblicke, in denen die Weltgeschichte eine plötzliche Wendung nimmt wie beim Fall der Berliner Mauer? Oder doch nur ein taktisches Manöver? Noch kann niemand sagen, ob wir ernsthafte Hoffnungen mit dem angekündigten Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un verbinden dürfen. Sicher ist nur: Es handelt sich um einen echten Coup. Und um einen Tabubruch.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten hat sich das Kim-Regime vergeblich um ein solches Gipfeltreffen bemüht. Dieses Streben nach Gleichbehandlung, nach einer diplomatischen Aufwertung genoss schon unter Kim Jong Uns Vater allerhöchste Priorität. Doch die Hand eines Dik- tators zu schütteln, der sein hungerndes Volk versklavt und die USA sowie deren Verbündete regelmäßig mit der totalen Vernichtung bedroht, das schien aus Washingtoner Sicht völlig unmöglich. Das galt allerdings, wie so vieles in der amerikanischen Politik, vor Trump.
Schon hat der Streit darüber begonnen, wer da nun über wen triumphiert hat. Hat Trump mit seinen militärischen Drohungen und den immer weiter verschärften Sanktionen gegen Nordkorea das letzte stalinistische Regime der Welt in die Knie gezwungen? Oder hat der Diktator in Pjöngjang mit seiner Atomrüstung dafür gesorgt, dass ihn nun der USPräsident hofiert? Die Antwort darauf könnte der Welt freilich herzlich egal sein, wenn am Ende tatsächlich eine dauerhafte Entspannung der Lage in Korea gelingen sollte. Es wäre eine historische Leistung.
Man darf vermuten, dass der Mann im Weißen Haus, der sich so gerne als zupackender Macher präsentiert, der Versuchung einfach nicht widerstehen konnte, einen Durchbruch zu schaffen, wo vier seiner Vorgänger gescheitert sind. Trump sieht sich als ausgebuffter Verhandler, und es wäre unbestreitbar ein gewaltiger Erfolg für ihn, wenn er eine völlige Einstellung des nordkoreanischen Atomprogramms erreichen sollte. Denn genau dies ist das erklärte Ziel der USA: ein atomwaffenfreies Korea.
Nur wird es dazu nicht kommen. Kim mag zu vielen Zugeständnissen bereit sein, um die Isolierung seines Landes zu durchbrechen und eine Aufhebung der Sanktionen zu erreichen. Aber die Bombe dient der Überlebenssicherung des Regimes. Kim wird sie nicht wieder herausrücken – nicht einmal gegen US-Sicherheitsgarantien, die jetzt in Rede stehen. In Wirklichkeit ist es selbst unter Trump unvorstellbar, dass sich Amerika für die Existenzsicherung einer derart finsteren Diktatur verbürgt.
Denkbar wäre es freilich, das KimRegime über den Abschluss eines multilateralen Nichtangriffspakts wenigstens einzuhegen. Denn viele Staaten in der Region haben inzwischen vor der militärischen Expansion Chinas mindestens ebenso viel Angst wie vor den Drohgebärden aus Pjöngjang. Der Preis wäre freilich die faktische Anerkennung Nordkoreas als Atommacht. Und der Weg zu einem solchen Deeskalationsabkommen wäre lang.
Sollte Trump dagegen mit der Erwartung eines schnellen Triumphs in das Treffen mit Kim gehen, ist die Enttäuschung programmiert. Das macht dieses Treffen so gefährlich. Kim könnte sich bei einem Scheitern damit trösten, dass sich sein Poker mit den Atombomben wenigstens diplomatisch gelohnt hat. Trump jedoch könnte daraus den Schluss ziehen, nur noch militärische Optionen zu haben. Die Folgen mag man sich nicht ausmalen.
WASHINGTON Die Volte des Donald Trump, sie wirkt umso sensationeller, wenn man bedenkt, was ihr alles vorausgegangen war an rhetorischen Scharmützeln. Es ist erst sieben Monate her, da sprach er von „Feuer und Zorn“, von der alles vernichtenden Antwort, die er geben werde, falls Nordkorea seine nuklearen Angriffsdrohungen wahr mache. Dann war Kim Jong Un der „Raketenmann“, der sich auf selbstmörderischer Mission für sich und sein Regime befinde. Und nun die Wende, von Trump scheinbar ebenso spontan eingeläutet, wie er im August in seinem Golfclub in New Jersey urplötzlich das Szenario von „Fire and Fury“heraufbeschwor.
So wie es sein Pressestab schildert, holte der US-Präsident den südkoreanischen Emissär Chung Eui Yong kurzerhand ins Oval Office. Eigentlich wollte er ihn erst am nächsten Tag im Westflügel des Weißen Hauses treffen. Chung, wenige Tage zuvor in der Rolle des Krisenmanagers nach Pjöngjang gereist, übermittelte das Angebot Kim Jong Uns, sich mit Trump zu treffen. Und der sagte sofort zu. Mehr noch, er forderte den Besucher auf, es den Reportern im Weißen Haus doch bitte gleich mitzuteilen. So kam es, dass Chung, nach einem Telefonat mit seinem Staatschef in Seoul, noch am Donnerstagabend nach amerikanischer Ostküstenzeit für „World News“sorgte.
Die Sequenz der Ereignisse ist schon deshalb relevant, weil sie aus Sicht der Washingtoner Regierungszentrale unbedingt illustrieren soll, zu welch schnellen Wendungen der Mann im Oval Office in der Lage ist. Trump, der Pragmatiker. Trump, der Wendige, dem ideologische Scheuklappen nicht den Blick versperren. Der eingefahrene Gleise verlässt, der zwar nominell Republikaner ist, aber eben ein unkonventioneller. Das soll die Botschaft sein. Seine Anhänger vergleichen es bereits mit dem China-Coup, den Richard Nixon landete, als er 1972 überraschend nach Peking flog, um das Eis schmelzen zu lassen.
Doch wenn es das eine Motiv gibt, das Trumps jähen Entschluss am ehesten erklärt, dann ist es der offenbar durch nichts zu erschütternde Glaube an die eigenen Fähigkeiten. Allein durch Willenskraft und Verhandlungsgeschick, scheint er zu glauben, kann ihm gelingen, woran Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama erst verzweifelt und dann gescheitert waren: Pjöngjang zu einem belastbaren Bekenntnis zur De-Nuklearisierung der koreanischen Halbinsel zu bringen.
Das Genie, das nun auch in der Politik anwendet, womit er im harten Immobiliengeschäft New Yorks Erfolg hatte – so verkaufte sich Trump der Wählerschaft, als ihn die „Grand Old Party“zum Präsidentschaftskandidaten kürte. Er allein könne die Probleme des Landes lösen, lautete damals im Sommer 2016 sein Schlüsselsatz. Einmal im Amt, gab er vor, das Konfliktknäuel des Nahen Ostens in kurzer Zeit aufdröseln zu können. Bislang ist der Ankündigung an Taten nicht viel gefolgt, jedenfalls nichts, was auch den Palästinensern Vertrauen einflößen würde. Nun fürchten Skeptiker, im Falle Nordkoreas könnte der Kontrast zwischen Worten und Handeln ähnlich krass ausfallen.
Wendy Sherman, eine Diplomatin, die schon unter Clinton in Pjöngjang verhandelte, hat es in der „New York Times“mit einem gewissen Sarkasmus kommentiert. Zwischen Trump und Kim, sagt sie, gebe es eine Symmetrie. „Wir reden von Politikern, die beide im tiefsten Innersten glauben, dass sie die einzigen Menschen sind, die eine Rolle spielen.“
Christopher Hill, ein Veteran des langwierigen Dialogs mit Nordkorea, plädiert dagegen dafür, eine Chance zu nutzen, die nicht so oft wiederkehre. Nach Jahrzehnten frustrierender Verhandlungen müssten die USA der Versuchung widerstehen, nichts zu tun, „denn von allein wird sich die Gefahr nicht in Luft auflösen“. Trump, fügt der Ex-Botschafter hinzu, solle auf klare Signale drängen, dass Nordkorea bereit sei, sein Atomwaffenarsenal abzurüsten. Nüchtern betrachtet, kreuzen sich grundverschiedene Interessenlagen. Während Trump auf eine rasche, unumkehrbare Aufgabe jeglicher nuklearer Aktivitäten pocht, strebt Kim eine Lockerung von Sanktionen an, möglichst verbunden mit der Legitimierung seines Atomprogramms. Wie sich der Graben überbrücken lässt, ist völlig offen. Es gibt nicht wenige in Washington, die den Präsidenten davor warnen, auf ein Täuschungsmanöver Kims hereinzufallen.
In den Neunzigern war es Clinton, der derartige Erfahrungen machen musste. Nordkorea versprach, sein Plutoniumwaffen-Programm einzufrieren, wurde dann aber bei der Urananreicherung ertappt. Einen geplanten Besuch in Nordkorea sagte Clinton aus Angst vor einer Blamage ab. Später, der Widerpart im Oval Office hieß Bush, bekannte es sich zur De-Nuklearisierung, nur um kurz darauf seine erste Atombombe zu testen.