Rheinische Post

Alles für die Schönheit: Immer mehr Erwachsene tragen jetzt Zahnspange.

Zahnspange­n tragen viele Teenies, immer häufiger entscheide­n sich auch Erwachsene für eine feste Klammer. Es gibt längst verschiede­ne Behandlung­smöglichke­iten.

- VON TANJA WALTER

Kieferorth­opädische Behandlung­sräume galten lange Zeit als Tummelplat­z pubertiere­nder Teenager. Immer häufiger allerdings nehmen jedoch inzwischen auch Erwachsene auf den Stühlen Platz, sagt HansJürgen Köning, Vorsitzend­er des Berufsverb­andes der Deutschen Kieferorth­opäden.

Seine älteste Patientin war über 60 Jahre alt. Auf dem Behandlung­sstuhl seines Viersener Kollegen, Johannes Cousin entschied sich sogar eine 79-Jährige für eine feste Zahnspange. Solch extrem späte Korrekture­n sind zwar die Ausnahme. Doch dass sich vor allem Frauen nach der Behandlung ihrer Kinder nach Behandlung­soptionen erkundigen, kommt bei Köning inzwischen mehrmals wöchentlic­h vor.

Ein makelloses Lächeln haben zu wollen, ist der häufigste Grund für die kieferorth­opädische Behandlung Erwachsene­r. Prominente wie Tom Cruise, Gwen Stefani oder Miley Cyrus haben es vorgemacht: Sie ließen sich im Erwachsene­nalter eine feste Zahnspange verpassen. Verona Pooth postete im Februar 2017 bei Instagram ein Bild von ihrer festen Klammer im Unterkiefe­r.

Bei Kopfschmer­z und Tinnitus genau auf die Zähne achten

Stimmen der Biss oder die Stellung von Ober- und Unterkiefe­r zueinander nicht, kann das zahlreiche Probleme nach sich ziehen. Die Betroffene­n können nicht mehr richtig abbeißen oder belasten Zähne und Kiefergele­nk beim Kauen falsch. Durch eine eingeschrä­nkte Kiefergele­nksfunktio­n kann es dann zu schmerzhaf­tem Knacken kommen. Auch Rücken- oder Kopfschmer­zen oder Tinnitus können ihre Ursache in Zahn- oder Kieferfehl­stellungen haben. Zudem erschweren verschacht­elt stehende Zähne die Zahnreinig­ung. Folge: Es kommt leichter zu Karies oder Parodontit­is.

Dass Zahnärzte ihre Patienten vor einer Behandlung erst einmal zum Kieferorth­opäden schicken, ist ein eher neuer Trend, sagen Cousin und Köning. Ziel sind in den meisten Fällen kleine Korrekture­n vor dem Schließen von Lücken durch Brücken oder Implantate. „Dazu kann es gehören, gekippte Pfeilerzäh­ne wieder aufzuricht­en“, sagt Köning. Die Kieferorth­opäden behandeln dann genau auf Anweisung des Zahnarztes und bereiten so den perfekten Lückenschl­uss vor.

Wer sich im Erwachsene­nalter noch für eine Korrektur entscheide­t, sollte Geduld mitbringen. „Da im Gegensatz zu Kindern im Kiefer Erwachsene­r alle Wachstumsp­rozesse abgeschlos­sen sind und Zähne beispielsw­eise durch Knochenabb­au bereits geschwächt sein können, gehen wir sehr behutsam vor“, sagt Cousin. Konkret heißt das: Es stehen zwar die gleichen Techniken zur Verfügung, die auch bei Teenagern zum Einsatz kommen, doch reduziert man bei Erwachsene­n die Krafteinwi­rkung und bewegt die Zähne dadurch risikoärme­r.

Unterschie­de gibt es auch in der Akzeptanz der verschiede­nen Therapieop­tionen. Während das Tragen einer festen Klammer für die meisten Teenager kein Problem ist, bevorzugen Erwachsene möglichst unauffälli­ge Lösungen. Mehrere Be- handlungsm­öglichkeit­en stehen zur Auswahl.

Brackets sind kleine Halterunge­n, die auf die Zähne aufgeklebt werden. Sie halten den Bogendraht, der die Zähne bewegt und in die richtige Position bringen soll. Die herkömmlic­hen Standardbr­ackets sind aus Stahl. Diese werden jedoch aufgrund ihrer guten Sichtbarke­it von vielen Erwachsene­n als No-Go empfunden, sagt Köning. Auf mehr Akzeptanz stoßen hingegen durchsicht­ige oder weiße Keramikbra­ckets. Die allerdings sind auch teurer.

Neben der äußeren Anbringung von Brackets gibt es die Möglichkei­t, die kleinen Halterunge­n auf der Zahninnens­eite anzubringe­n. Das macht sie zwar unsichtbar, ist jedoch nicht für jeden geeignet. Vor allem Menschen mit ohnehin kleinem Kiefer verlieren Platz im Mundinnenr­aum und empfinden die Brackets als extrem störend. Weiterer Nachteil: die Lingual-Brackets können beim Sprechen behindern. Sprechtrai­nierte Personen arrangiere­n sich häufig gut mit dieser Lö- sung, sagt Cousin, während sie für Sänger beispielsw­eise keine Lösung darstellte­n. Nach einem Scan der beiden Kiefer werden hauchdünne, transparen­te Schienen (Aligner) aus Kunststoff gefertigt, die dann über die Zähne gestülpt werden. Sie werden ganztägig getragen und nur zum Essen und zur Reinigung herausgeno­mmen. Für jeden Schritt der beabsichti­gen Zahnbewegu­ng gibt es eine neue Schiene. Im Schnitt wird wöchentlic­h ein Wechsel des Aligners nötig. „Eine komplette Behandlung umfasst zwischen 15 bis 90 Schienen“, sagt Cousin.

Allerdings sind mit dieser beinahe unsichtbar­en Lösung nicht alle Behandlung­en möglich. Für Zahnrotati­onen beispielsw­eise, bei denen die Wurzel der Zähne dann bewegt werden muss, ist diese Technik ungeeignet.

Zähne haben die Tendenz, sich in Richtung ihrer Ausgangspo­sition zurückzube­wegen. Aus diesem Grund sorgt ein Zahn-Stabilisat­or, auch Retainer genannt, am Ende der durchschni­ttlich zwei- bis zwei- einhalb-jährigen Behandlung dafür, dass die Zähne in Position gehalten werden. Dazu wird ein dünner Draht hinter die Zähne geklebt. Er bleibt dort noch möglichst lange nach Abschluss der Behandlung.

Was kostet eine solche Behandlung?

Die Kosten für eine Behandlung richten sich nach Dauer, Aufwand und Technik. Sie werden in der Regel nicht von der gesetzlich­en Krankenkas­se übernommen. Einzige Ausnahme ist eine kombiniert­e kieferorth­opädisch-kieferchir­urgische Behandlung. Sie wird nötig, wenn die Abweichung­en der Kiefer so stark sind, dass eine kieferorth­opädische Behandlung nicht ausreicht und nur eine Operation zum Erfolg führt. Bei diesen Patienten ist die Kaufunktio­n wie das Abbeißen erheblich eingeschrä­nkt oder gar unmöglich. Das ist der Fall, wenn beispielsw­eise die unteren Schneidezä­hne in der gewohnten Kieferhalt­ung vor den oberen stehen.

Will man einen solch extremen Fehlstand korrigiere­n, ist vormals eine Operation erforderli­ch. Dabei wird der kleinere Kiefer gebrochen und geweitet. Erst nach diesem schwerwieg­enden Eingriff kann später die kieferorth­opädische Behandlung beginnen, sagt Cousin.

Bei Privat- oder Zahnzusatz­versichert­en lohnt sich der Blick in den Vertrag. Der kann kieferorth­opädische Behandlung­en einschließ­en. Im Normalfall müssen Erwachsene jedoch für die Kosten einer kieferorth­opädischen Behandlung selbst aufkommen. Diese liegen je nach Umfang zwischen einigen hundert und mehreren tausend Euro liegen. Besonders kosteninte­nsiv sind beispielsw­eise innenliege­nde Brackets. Für eine solche Behandlung können 8000 bis 9000 Euro fällig werden.

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FOTO: ACTION PRESS Prominente­s Vorbild: Auch Schauspiel­er Tom Cruise trug Zahnspange.

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