Der schwere Weg in den Profifußball
Hunderte Talente hoffen, kaum eins schafft den großen Durchbruch. Für Borussias Nachwuchsdirektor Roland Virkus bedeutet das einen ständigen Balanceakt – zwischen sportlichem Konkurrenzkampf und sozialer Verantwortung.
MÖNCHENGLADBACH Auf das Trikot des FC Barcelona ist Roland Virkus zweifellos stolz. Borussias Nachwuchsdirektor hat es von Marc-André ter Stegen geschenkt bekommen, der in Gladbach mit dem Fußballspielen begann, erst zum Bundesligaprofi wurde, dann zum Nationaltorwart und 2014 weiterzog nach Barcelona. Ein Jahr später gewann er mit den Katalanen die Champions League. Doch seine Erfolgsgeschichte ist ausgiebig erzählt worden. Beim Gespräch in seinem Büro bleibt Virkus ganz lange vor einem eingerahmten Trikot mit zahlreichen Unterschriften stehen.
2009 hat er es von der B-Jugend bekommen, die er trainiert hatte, bis er in Vollzeit den Job als Nachwuchsdirektor übernahm. Ter Stegen war auch dabei, aber Virkus zählt sieben weitere Spieler auf, die sich im Profifußball etabliert haben. Yunus Malli: VfL Wolfsburg. Julian Korb: Hannover 96. Amin Younes: Ajax Amsterdam. Elias Kachunga: Huddersfield Town. Andere Namen sind in Vergessenheit geraten. Christoph Zimmermann? Spielt in der zweiten englischen Liga bei Norwich City. Alexander Mühling? Hieß früher Bieler und ist Stammkraft bei Holstein Kiel in der 2. Bundesliga. Bernhard Janeczek? Immerhin erste Liga – in Österreich beim SCR Altach. Doch selbst dieser Über-Jahrgang spielt heute mehrheitlich nicht höher als Oberliga.
Die Jugendarbeit ist ein Nadelöhr, dessen ist sich Virkus bewusst, und ihren Erfolg zu messen, gestaltet sich schwierig. Seit dem Umzug in den Borussia-Park haben 23 Eigen- gisten. „Ich will nicht, dass ein Spieler eine Stunde fahren muss. Aber es gibt Ausnahmen, denn sonst geht dieser Spieler zum Beispiel nach Leverkusen. Dann fragt jeder: Warum ist der nicht nach Gladbach gegangen, ihr habt den doch entdeckt?“, sagt Virkus.
Ende des Jahres wird das neue Nachwuchsinternat mit 24 Plätzen, also doppelt so vielen wie bisher, fertig. Bei allen Schützlingen ist der Verein gezwungen, zweigleisig zu fahren – auf der einen Seite der große Traum Profifußball, auf der anderen die statistische Realität.. „Die Schule muss immer vorgehen“, sagt Virkus deshalb. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spieler Profi wird, ist geringer als die, dass er einen guten Schulabschluss macht. Es ist immer eine Kausalkette: Wie willst du dich auf das Spiel übermorgen fokussieren, wenn du in zwei Fächern fünf stehst und morgen eine wichtige Klassenarbeit schreibst?“
Bei Borussia betonen sie gerne ihre Philosophie. Doch was steckt hinter einer oftmals hohlen Phrase? „Wir zeigen den Jungs auf, wie wir die Wahrscheinlichkeit erhöhen wollen, dass sie ihre Ziele erreichen – ohne dabei unsozial zu sein. Das bedeutet, sie auch in schwachen Phasen restlos zu unterstützen“, erklärt Virkus. Um der erwähnten Verantwortung gerecht zu werden, lässt Borussia mitunter Titel-Potenzial liegen. Zuletzt wurde der beste Spieler der U 17, Jonas Pfalz, hochgezogen in die U 19. „Wenn ich mich für eins entscheiden muss, dann immer für die Entwicklung junger Spieler“, sagt Virkus. Morgen ließe sich alles miteinander verbinden: Dann spielt die U19 im Pokal-Halbfinale.