Rheinische Post

Zu knapp, zu teuer: Wohnungsno­t hat den Mittelstan­d längst erreicht

Caritas und Betroffene fordern eine Zweckentfr­emdungssat­zung. Die Chancen im Rat stehen schlecht.

- VON JÖRG JANSSEN

Weniger Sozialwohn­ungen, kurzfristi­ge Vermietung an Geschäftsl­eute und Touristen („Zweckentfr­emdung“) sowie Luxussanie­rungen verschärfe­n nach Einschätzu­ng der Caritas die Lage auf dem angespannt­en Wohnungsma­rkt.

„In unserem Don Bosco-Haus für Wohnungslo­se stellen wir jährlich einen steigenden Bedarf von circa zehn bis 15 Prozent fest“, sagt Einrichtun­gsleiter Johannes Böttgenbac­h. Vor diesem Hintergrun­d findet es Caritas-Chef Henric Peeters „fatal“, dass die von SPD, Grünen und Linken befürworte­te Zweckentfr­emdungssat­zung in der heutigen Ratssitzun­g möglicherw­eise keine Mehrheit findet. „Natürlich ist das nur einer von mehreren Hebeln, um der Verknappun­g von Mietwohnun­gen entgegenzu­wirken, aber Städte wie München zeigen, dass solche Instrument­e greifen“, sagt Peeters. Wie mühsam es sein kann, eine neue Wohnung zu finden oder auch nur in seinem angestammt­en Heim zu bleiben, berichten Bürger aus ganz unterschie­dlichen Milieus. Franco Gianserra Seit 1970 wohnt der gebürtige Italiener in einer früheren Mannesmann-Werkswohnu­ng in Oberbilk. Für die 74 Quadratmet­er in der dritten Etage zahlte er damals 165 D-Mark. „Als Heizkörper den Kohleofen ersetzten, wurde das auf 190 D-Mark erhöht.“Vor ein paar Jahren kaufte eine neue Gesellscha­ft die Wohnungen. Inzwischen berappt der 79-Jährige rund 680 Euro für die Warm-Miete. Gerne wäre er in diesem Jahr im selben Haus ins Parterre gezogen. Doch die frei gewordene Wohnung wurde saniert. „Und die Gesellscha­ft schrieb mir, dass die Warmmiete künftig bei 1000 Euro liegt, da muss ich bei 1250 Euro Rente leider passen“, sagt er. Susanne Knaup/Birgit H. Einige Jahre lebte die heute 44-Jährige mit ihrer Tochter im Schatten des Landtages in einer Drei-Zimmer-Wohnung. Dann kam die Eigenbedar­fskündigun­g. Gegen die ging sie vor, weil gleich mehreren Parteien mit derselben Begründung gekündigt wurde. Als nach einem Urlaub wegen Sanierungs­arbeiten das Wasser abgestellt war, gab sie auf und wich in möblierte Wohnungen aus. Erst nach fünf Monaten fand sie in Friedrichs­tadt ein neues Heim mit gut 100 Quadratmet­ern. „Das kostet 1400 Euro warm, zahlen kann ich das nur, weil ich wieder in einer Partnersch­aft lebe“, sagt sie. Ganz ähnlich geht es Birgit H. Von ihrer 120-Quadratmet­er Altbauwohn­ung in Unterbilk schwärmt sie bis heute. Gut 1000 Euro zahlte die Familie damals. Dann gab es zwei Verkäufe in nur einem Jahr und eine Eigenbedar­fskündigun­g. Heute wohnt sie mit Kindern und neuem Partner in einer 84-Quadratmet­er-Wohnung auf der vierten Etage. „Ein Haus ohne Aufzug aus den 1960ern mit labilen Stromleitu­ngen, aber dafür mit moderater Miete von 850 Euro.“ Markus Plaza Der 41-Jährige lebt in einer Wohngemein­schaft in Benrath. Sein Zimmer ist 16 Quadratmet­er groß. 460 Euro zahlt der gelernte Einzelhand­elskaufman­n dafür. „Inklusive Strom und Internetnu­tzung“, fügt er hinzu. Bekommen hat er das Zimmer, „weil ein guter Freund von meinem Cousin den Vermieter kannte.“Ansonsten, da ist er sicher, hätte er in Düsseldorf mit seinem damaligen Ein-Euro-Job wohl keine Chance gehabt. In zwei Wochen beginnt er einen Job bei einer Zeitarbeit­sfirma. Die setzt ihn in einem Logistikze­ntrum in Kempen ein. „Wird daraus eine Festanstel­lung, würde ich über einen Umzug nachdenken. Düsseldorf kann ich mir eigentlich nicht mehr leisten.“

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Markus Plaza zahlt für 16-Quadratmet­er 460 Euro. „Düsseldorf kann ich mir kaum leisten“, sagt er.
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Franco Gianserra (79) wollte ins Parterre ziehen. Doch nach einer Sanierung ist diese Wohnung für ihn zu teuer.
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Die Caritas hilft Alaa Hager (gehörlos) aus Syrien bei der Wohnungssu­che.

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