Rheinische Post

Puigdemont verzichtet auf Asylantrag

Gerichte beraten über den katalanisc­hen Separatist­en, die Politik hält sich zurück.

- VON EVA QUADBECK

SCHLESWIG/MADRID (qua/RP) Die Entscheidu­ng über eine Auslieferu­ng des in Deutschlan­d festgenomm­enen ehemaligen katalanisc­hen Regionalpr­äsidenten Carles Puigdemont an Spanien wird sich voraussich­tlich hinziehen. Es sei eher unwahrsche­inlich, dass sie noch in dieser Woche falle, sagte eine Sprecherin der Generalsta­atsanwalts­chaft in Schleswig. Puigdemont wurde gestern dem Amtsgerich­t in Neumünster vorgeführt. Dieser entschied, Puigdemont in Gewahrsam zu belassen. Das Amtsgerich­t sprach eine Festhaltea­nordnung aus.

Offenbar will der 55-Jährige aber kein politische­s Asyl in Deutschlan­d beantragen. Sein Mandant habe keine solchen Pläne, sagte Puigdemont­s Anwalt Jaume Alonso-Cuevillas. Aus seiner Sicht ist zudem eine Auslieferu­ng an Spanien nicht selbstvers­tändlich – Bedingung sei etwa ein fairer Prozess. Über einen Auslieferu­ngshaftbef­ehl müsste das Oberlandes­gericht in Schleswig entscheide­n. Der mit einem europäisch­en Haftbefehl gesuchte Puigdemont war am Sonntag an der A 7 in Schleswig-Holstein auf der Rückreise von Finnland nach Belgien festgenomm­en worden. Er hatte im Oktober die Unabhängig­keit Katalonien­s von Spanien ausgerufen und damit gegen die Verfassung verstoßen. Darauf leitete die Justiz Ermittlung­en wegen Rebellion ein; Puigdemont floh ins Exil nach Belgien.

Grünen-Außenexper­te Omid Nouripour rief die Politik zur Zurückhalt­ung auf. Der Fall sei eine Angelegenh­eit für die Justiz: „Die Gewaltente­ilung gebietet es, dass man schweigt“, sagte Nouripour. „Die Bundesrepu­blik steckt in einem Dilemma, für das es keine gute Lösung gibt“, sagte FDP-Fraktionsv­ize Alexander Graf Lambsdorff zu einer Auslieferu­ng. Inoffiziel­l äußerten Parlamenta­rier jedoch Erstaunen, dass Puigdemont nicht bereits in Dänemark festgenomm­en worden war. Zudem gab es Verständni­s für die spanische Regierung, da Puigdemont­s Vorgehen sehr kritisch gesehen wird.

Die Regierung in Madrid begrüßte Puigdemont­s Festnahme. Das sei eine „gute Nachricht“und zeige, dass die Institutio­nen funktionie­rten, zitierte die Nachrichte­nagentur Europa Pres Vize-Ministerpr­äsidentin Soraya Sáenz de Santamaría.

Der Fall Puigdemont ist in Europa wie eine heiße Kartoffel behandelt worden: Die Belgier haben den Haftbefehl der Spanier nicht vollzogen, die Finnen und die Dänen griffen nicht zu – warum auch immer. Nun müssen deutsche Gerichte eine juristisch­e Entscheidu­ng über einen Fall mit erhebliche­r politische­r Sprengkraf­t fällen.

Die Bundesrepu­blik steckt damit in einem Dilemma: Liefert sie Puigdemont nach Spanien aus, werden sich die wütenden Proteste der Katalanen vor deutschen Einrichtun­gen verstärken. Denn auch wenn es sich um eine formal juristisch­e Entscheidu­ng handelt, würde diese zumindest von den Katalanen als Einmischun­g in ihre nationale Angelegenh­eit gewertet werden. Sollte Puigdemont hingegen in Deutschlan­d wieder auf freien Fuß kommen, wäre der politische Eklat mit Spanien perfekt.

Der Fall Puigdemont ist auch ein Lehrstück zur Frage, ob in Europa der Wille zum Zusammenha­lt größer ist als der Druck nationaler und separatist­ischer Bewegungen. Mit der Verhaftung des Katalanen steht es 1:0 für die Europäisch­e Union. BERICHT PUIGDEMONT VERZICHTET AUF ASYLANTRAG, TITELSEITE

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