Rheinische Post

Politik diskutiert Boykott der WM

Bundestags­vizepräsid­ent Thomas Oppermann spricht sich dagegen aus.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N UND GREGOR MAYNTZ

DÜSSELDORF/BERLIN Der Westen hat die Fußball-Weltmeiste­rschaft in Russland als zusätzlich­e Möglichkei­t entdeckt, um den politische­n Druck auf Staatspräs­ident Wladimir Putin zu erhöhen. Nachdem Großbritan­nien und Island als Reaktion auf den Anschlag auf den ehemaligen russischen Doppelagen­ten Sergej Skripal bereits angekündig­t hatten, keine Politiker zum Turnier zu entsenden, und Australien dasselbe in Erwägung ziehen will, diskutiert nun auch Deutschlan­d über einen solchen Schritt und dessen Signalwirk­ung.

Bundestags­vizepräsid­ent Thomas Oppermann sprach sich gegen einen Boykott aus. „Fußball verbindet und sollte Deutschlan­d und Russland nicht treffen“, sagte der SPD-Politiker unserer Redaktion. Dies gelte vor allem für die Zivilgesel­lschaft, und diese Chancen sollten nicht vertan werden. Oppermann verwies darauf, dass die Winterspie­le in Südkorea sogar dafür genutzt worden seien, „den Dialog zwischen Nord und Süd zu beleben“.

Russland wird beschuldig­t, im englischen Salisbury Skripal und dessen Tochter vergiftet zu haben. Beide haben nach Angaben einer Verwandten nur eine sehr geringe Überlebens­chance. Die Prognose sei nicht gut, sagte die Nichte des 66-Jährigen der BBC. Im Zuge des Anschlags haben inzwischen mehr als 26 Staaten insgesamt mehr als 140 russische Diplomaten ausge- wiesen. Deutschlan­d wies vier Russen aus.

Russland bestreitet die Vorwürfe und wies einen geplanten Boykott der WM durch westliche Politiker als sinnlos zurück. „Das wird kaum eine Auswirkung auf die sportliche Feier haben“, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow am Mittwoch in Moskau. „Wichtig ist nicht, ob irgendwelc­he Beamte oder offizielle Vertreter kommen, sondern dass die Mannschaft­en spielen.“Russlands Antwort auf die Ausweisung­en werde zu gegebener Zeit folgen, sagte Peskow. Er betonte, er finde nicht, dass sich Moskau in eine Sackgasse manövriere. „20 oder 30 Staaten, das ist nur ein Teil der internatio­nalen Gemeinscha­ft“, sagte er mit Blick auf die Ausweisung­en.

Der langjährig­e Vorstandsv­orsitzende des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB) und heutige Präsident des Galopprenn­sports, Michael Vesper, sähe ein Fernbleibe­n deutscher Politiker sogar als kontraprod­uktiv an: „Unsere Mannschaft wird nicht besser und nicht schlechter spielen, wenn deutsche Politiker vor Ort sind oder eben nicht. Ein Besuch unserer politische­n Führung würde allerdings deren Wertschätz­ung zeigen – weniger gegenüber der russischen Führung als gegenüber unseren Sportlern und den Millionen Sportfans, die mitfiebern“, sagte er.

In einer Mitte März durchgefüh­rten Umfrage hatten sich in Deutschlan­d 52 Prozent der Befragten gegen einen sportliche­n Boykott durch die DFB-Auswahl ausgesproc­hen. 42 Prozent hatten allerdings gefordert, dass deutsche Politiker auf Besuche des Turniers verzichten sollten. Der FDP-Außenpolit­iker Graf Lambsdorff plädiert ebenfalls dafür, dass hochrangig­e Politiker der Weltmeiste­rschaft fernbleibe­n. Er glaube, dass es falsch wäre, wenn Bundeskanz­lerin Merkel oder Bundespräs­ident Steinmeier zu den Spielen führen, sagte Lambsdorff im „Deutschlan­dfunk“.

Andrea Milz, Staatssekr­etärin der NRW-Landesregi­erung für Sport und Ehrenamt, stellt sich schließlic­h die Frage, warum die Debatte schon mit solchem zeitlichen Vorlauf nach einem Resultat verlangt: „Ich wundere mich, dass sich viele Politiker jetzt schon festlegen, wie sie sich in drei Monaten verhalten wollen. Dabei könnte doch jeder täglich die sich dann bietende Situation neu bewerten“, sagte die CDU-Politikeri­n. MADRID (dpa/sid) Selbst die Aufmunteru­ng von Lionel Messi half nicht. Zur Halbzeit besuchte Argentinie­ns angeschlag­ener Superstar seine Teamkolleg­en in der Kabine und versuchte sich als Motivator. Es war vergebens. Die Südamerika­ner kassierten in Madrid mit dem 1:6 gegen Spanien die schwerste Niederlage seit fast einem Jahrzehnt. Die Mannschaft von Trainer Julen Lopetegui hingegen zeigte nach dem 1:1 in Berlin gegen Deutschlan­d erneut eindrucksv­oll, dass sie bei der WM ab 14. Juni in Russland um den Titel mitspielen will – und auch kann.

„Ohne Messi gibt es kein Paradies und keine Hoffnung“, titelte die argentinis­che Zeitung „La Nación“. Die Nationalma­nnschaft sei zu einem durchschni­ttlichen Team geworden. „Argentinie­n ist eher Messis Mannschaft als meine“, räumte Trainer Jorge Sampaoli bereits vor der Partie ein. Tatsächlic­h tun sich die eigentlich immer als WM-Mitfavorit gehandelte­n Südamerika­ner ohne Messi schwer. Bei vier der letzten fünf Niederlage­n war der Starstürme­r des FC Barcelona nicht dabei. Bereits in der Qualifikat­ion für die WM kam Argentinie­n in arge Bedrängnis. Erst am letzten Spieltag löste Messi mit einem Hattrick gegen Ecuador das Ticket. „Wenn der Gegner seinen Namen in der Aufstellun­g ließt, bekommt er schon Ehrfurcht. Wie es bei Pele, Cruyff oder Maradona der Fall war“, sagte Carlos Bilardo, Argentinie­ns Weltmeiste­r-Trainer von 1986

Die Niederlage gegen Spanien reiht sich in die Negativ-Annalen ein: Bei der WM 1958 in Schweden gab es ein 1:6 gegen die Tschechosl­owakei, in der Qualifikat­ion für die WM 2010 – bei der es ein 0:4 im Viertelfin­ale gegen die DFB-Auswahl gab – fertigte Bolivien in der Höhe von La Paz die Argentier mit 6:1 ab.

In Argentinie­n klammert man sich schon an übernatürl­iche Hilfe. Um den angebliche­n WM-Fluch zu brechen, lösten einige Spieler des Weltmeiste­rteams von 1986 ein altes Verspreche­n ein. Angeführt von Jose Luis Brown, der beim 3:2-Finalsieg gegen Deutschlan­d das 1:0 erzielt hatte, besuchte die Gruppe im Marien-Wallfahrts­ort Tilcara wie im Januar 1986 die Figur der Heiligen Jungfrau von Copacabana. Damals hatte Bilardo einen Teil des WM-Kaders im Trainingsl­ager auf die dünne Luft Mexikos vorbereite­t, und die Spieler hatten in der nahe gelegenen Kapelle ein bis dato nicht eingehalte­nes Gelübde abgelegt, beim WM-Triumph zurückzuke­hren.

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Fassungslo­s auf der Tribüne: Argentinie­ns Superstar Lionel Messi.
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