„Wir können nicht mit einem Regime sprechen, das die Menschen verhungern lässt“
men Ansichten kommen. Kim Sung Chul kommt gerade von der Arbeit, seinen dünnen Körper in einen Daunenmantel verpackt, marschiert er zu Fuß durch Seolleung, ein Viertel im Süden der Stadt. Links und rechts ragen Hochhäuser, dazwischen breiten sich mehrspurige Straßen aus, auf denen Motorenlärm röhrt, wie es ihn in seinem Heimatland wohl höchstens in der Hauptstadt Pjöngjang gibt. Aber da war er nie, Kim Sung Chul kennt die Stadt bloß aus Bildern. Und mit eigenen Augen müsse er sie auch nicht mehr sehen, sagt er.
Nach seiner ersten Flucht kehrte er nach Nordkorea zurück, nachdem ihn in China das Heimweh überbekommen hatte. Zum Dank ging es ins Arbeitslager. Später gelang ihm noch einmal der Ausbruch aus der Kim-Diktatur. „Die Zeit hab‘ ich hinter mir. In der Hungersnot der 1990er Jahre ist mein Vater gestorben, und in dieser ungeheizten Zelle im Lager wäre ich auch fast draufgegangen. Ich will nicht mehr zu viel dran denken.“
Seit zehn Jahren ist Kim Sung Chul in Seoul, hat hier ein Studium abgeschlossen, sich auch einen neuen Namen zugelegt. Er nennt Lee Ae Ran sich heute Scott, das klingt internationaler. Neben dem Studium hat er sich mit Hilfe freiwilliger Lehrer ein nahezu akzentfreies Englisch antrainiert. Seit einigen Jahren arbeitet er für ein Handelsunternehmen in Seoul, erledigt die Korrespondenz mit Lieferanten.
Ob er bei Olympia die Koreaner aus dem Norden oder die aus dem Süden unterstützt habe? An einer Ampel wartend tippelt Scott wie ein Boxer auf der Stelle, um nicht kalt zu werden, überlegt. Schwer sei diese Frage. „Mein Herz schlägt für den Norden. Aber ich war eher für die Südkoreaner, weil die sich wenigstens sportlich qualifiziert haben.“Die nord-südkoreanische Kombination der Eishockeymannschaft habe für ihn einen seltsamen Beigeschmack gehabt. „Athletinnen aus Südkorea sind aus der Truppe geflogen, damit es Platz für ein paar Nordkoreanerinnen gab, nur für eine politische Geste. Ich glaube nicht, dass so ein Deal bei allen im Land gut angekommen ist.“
Auch Scott, der Händler, träumt von der Wiedervereinigung, wie eigentlich fast alle Koreaner. Aber an Verständigung durch die Kraft des Sports, auf die der Student Kim Hyeuk hofft, glaubt er nicht, ebenso wenig an die Sanktionen, die die Restaurantbesitzerin Lee Ae Ran fordert. Scott will sich in einigen Wochen selbstständig machen und Handel mit Elektronikprodukten betreiben. „Vielleicht kann ich dann irgendwann nach Nordkorea.“