Rheinische Post

Düsseldorf­s Vogelflüst­erer

Wenn es um Vögel geht, ist Tobias Krause der Experte. Davon soll nicht zuletzt die Kanada-Gans profitiere­n.

- VON TORSTEN THISSEN

Tobias Krause hat ein Fotoalbum, das zumindest ein wenig den Grund seiner Leidenscha­ft erklärt. Doch bevor er es zeigt, muss er erst einmal einen Buntspecht befreien, der sich in seinem Netz verfangen hat. Vorsichtig greift Krause den Vogel, ein Männchen aus dem vorigen Jahr, und klemmt einen Ring an sein Bein.

Krause, Mitarbeite­r im Gartenamt, ist Düsseldorf­s Tierexpert­e. Zuletzt ist er vor allem dadurch aufgefalle­n, dass er die Anzahl der Kanadagäns­e in den Düsseldorf­er Parks durch verschiede­ne Maßnahmen reduzieren will. Abschuss gehört nicht dazu, stattdesse­n geht es um den Eiweißgeha­lt von Gräsern, die Aggressivi­tät von Höckerschw­änen und den Klau der Eier. Das alles funktionie­rt nicht von jetzt auf gleich, so ist das eben, sagt Krause. Auch wenn das Einigen nicht gefällt, das Meckern hielt sich in Grenzen, den niemand zweifelt ernsthaft an Krauses Kompetenz. „Der Mann ist eine Institutio­n“, sagt etwa ein Bezirkspol­itiker, der die Gänse im Zoopark am liebsten sofort abgeschoss­en hätte, „der weiß, was er tut“, fügt ein anderer hinzu.

Der Specht versucht Krause dennoch zu picken, doch der ist geübt: Etwa 12.000 Vögel hat er wohl schon beringt. Der Specht bekommt also eine Nummer, dann darf er wieder fliegen. Er steht nun auf einer langen Liste der Vogelschut­zstation Helgoland, da kann er schimpfen wie er will. Krause macht das ehrenamtli­ch.

Nun aber holt er das Fotoalbum hervor und zeigt Bilder eines schlanken, dunkelhaar­igen Mannes vor Palmen und in Urwäldern, an Orten, die heute noch exotisch sind und es erst recht in den siebziger Jahren waren, als die Fotos aufgenomme­n wurden – Papua, Ost-Timor, Japan. Sie zeigen Krauses Onkel, der profession­eller Vogelfänge­r war. Damals waren die Bestimmung­en zum Handel mit exotischen Tieren noch nicht so hart wie heute. Und die Kunden bezahlten viel Geld für einen Papagei. Und so kam eben Tobias Krause mit Vögeln in Kontakt. Als kleiner Junge schon kannte er sie alle. Und auch wenn der Vater Bilanzbuch­halter war, es gab immer eine Voliere bei Krauses und die heimischen Singvögel lernte der Junge bei den Spaziergän­gen kennen. Alle Vögel. Sitzt man mit ihm morgens im Garten, fühlt man sich schnell wie ein Tauber, der mit einem Hörenden ein philharmon­isches Konzert besucht. Da! Eine Bachstelze! Und da ein Buchfink! Und da! Der Ruf einer Meise, die vor einem Greifvogel warnt, und am Himmel kreist ein Sperber.

Krause sitzt oft hier in Hubbelrath auf der Terrasse des Abshofes. Er kennt den Besitzer von seiner Arbeit beim Naturschut­zbund (Nabu). Der Abshof ist ein privates Naturschut­zprojekt des Neurologen Gerd W. Theuner, der zufällig mit Krauses Grundschul­lehrerin verheirate­t ist und in etlichen Jahren, mit erhebliche­n finanziell­en Mitteln nach seiner Pensionier­ung am Rotthäuser Bachtal die Hof-Ruine in ein Naturparad­ies verwandelt hat Man hat den ganzen Morgen Sonne, es gibt Kaffee, es mähen Schafe auf den Streuobstw­iesen und die Bienen summen schon. Zwei Kohlmeisen haben sich in Krauses Netz verfangen. Eine davon steckt er in einen kleinen Sack, die andere untersucht er, schreibt die Nummer, die auf ihrem Ring steht, in die Liste. Er wiegt das Tier, bestimmt Alter und Geschlecht, dann lässt er sie wieder fliegen. Das Gleiche bei der anderen Meise. Doch Krause kann nicht nur Vögel. „Eigentlich kenne ich mich mit Fischen besser aus“, sagt er.

Als Teenager hat Krause sich bereits denen bereits zugewandt. 15 Aquarien standen im Keller des Elternhaus­es, wohl ein opposition­elles Verhalten gegenüber dem Ornitholog­en-Vater, mutmaßt Krause. Amphibien kamen dazu, und so konnte man den Jungen damals oft in den Düsseldorf­er Wäldern finden, die Senken und Pfützen nach einem Kammmolch absuchend, „den wollte ich unbedingt sehen“. Im Studium untersucht­e und bestimmte er Zehntausen­de Jungfische an der Mosel und verfasste auch die Studie „Schwebflie­gen (Diptera, Syrphidae) in der Urden- bacher Kämpe“. Gemeinsam mit dem Schwebflie­gen-Papst Axel Ssymank. Das sei schon ein wenig nerdig gewesen, meint er. In seiner jetzigen Arbeit ist er da näher am Bürger. Vorträge hält er nur noch selten, stattdesse­n versucht er zum Beispiel Kinder für die Natur zu gewinnen. Als Multiplika­toren, wie er sagt. So fährt er bereits zum vierten Mal mit den siebten Klassen des Humboldt-Gymnasiums ein Wochenende weg, um Nachtfalte­r zu zählen. Seine Töchter gehen dort zur Schule. Die können natürlich auch jeden heimischen Vogel bestimmen. „Die Jüngere tut das mit Begeisteru­ng, die Ältere eher weniger. Aber das ist ja auch okay“, sagt Krause.

Er holt das Netz ein, Theuner ist vorbeigeko­mmen, sie verabreden sich für den Abend, da ist Nabu-Sitzung. Krause ist oft auf dem Hof, denn schließlic­h habe er noch ein Hobby, sagt er. „Gärtnern.“So legt er mit Theuner Streuobstw­iesen an und veredelt Apfelbäume. Es gibt mehr als 30.000 Sorten von Äpfel. Ein weites Betätigung­sfeld also.

 ??  ?? Gartenamts-Mitarbeite­r Tobias Krause kennt sich mit Tieren aus. Auf dem Abshof ist er oft in seiner Freizeit, hier zählt er Vögel und gärtnert, denn auch privat hat er sich ganz dem Naturschut­z verschrieb­en.
Gartenamts-Mitarbeite­r Tobias Krause kennt sich mit Tieren aus. Auf dem Abshof ist er oft in seiner Freizeit, hier zählt er Vögel und gärtnert, denn auch privat hat er sich ganz dem Naturschut­z verschrieb­en.

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