Rheinische Post

Jesus schenkt sich seinen Freunden

Bis heute leben Christen vom Brot und vom Wein des Gründonner­stags.

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Der Gründonner­stag hat seinen Namen von dem alten Verb greinen – weinen. Tatsächlic­h ein Tag zum Weinen. Am Vorabend seines Todes kommt Jesus ein letztes Mal zum Passamahl mit seinen zwölf Freunden zusammen. Was gemeinsam beginnt, endet für Jesus im Laufe der Nacht verraten und verlassen. Schon während des Mahles schleichen sich Misstöne ein. Die Erwartunge­n an den Abend gehen auseinande­r. Jesus sieht, was auf ihn zukommt. Während Petrus sich dazwischen werfen will, will Judas Gott zwingen, die Welt zu retten und sei es um den Verrat seines Meisters willen. Sie ziehen ihr Ding durch, die Freunde.

Oder auch nicht: Als sie nach dem Mahl im Garten Gethsemane wachen und beten sollen, schlafen sie ein, gleich zweimal hintereina­nder. Dann der Verrat und anders als erwartet, bleiben die Engelheere aus, die Jesus – so hoffte es Judas wohl – retten sollten. Petrus verleugnet Jesus gleich dreimal. Mit dem Morgengrau­en des Karfreitag­s dämmert den Freunden, was geschieht. Petrus ist über sich selbst entsetzt. Judas kann mit seiner Tat nicht leben und nimmt sich das Leben.

Jesus hätte allemal Grund genug gehabt, über seinen Freunden den Stab zu brechen. Stattdesse­n bricht er das Brot und reicht ihnen den Wein beim letzten Abendmahl. Darin schenkt er sich seinen Freunden. Ein Bissen und ein Schluck: Er legt sich selbst da hinein mit seiner ganzen Person und Geschichte, seiner Liebe zu ihnen, seiner Hoffnung für sie und seinem Vertrauen in seine Freunde. Die Freunde werden nach Ostern und Pfingsten weiter das Brot und den Wein teilen. Über die Generation­en hinweg leben seine Freunde bis heute von dem Bissen Brot und dem Schluck Wein. Daraus wachsen Hoffnung und Kraft – auch Vergebung für Getanes und Unter- lassenes. Die Freunde Jesu ziehen ihr Ding durch auch in der Gegenwart. An Gründonner­stag am Vorabend des Karfreitag­s, Tage von Ostern entfernt, ertappt Jesus seine Freunde, Christen und Kirche in ihrem Eigensinn und auf ihren Abwegen – und nimmt sie mit auf seinen Weg – wieder aufs Neue.

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Pfarrer Heinrich Fucks ist Synodalass­essor des Evangelisc­hen Kirchenkre­ises Düsseldorf.

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