Rheinische Post

„Wir bleiben beim Wohnen dran“

Der Grünen-Fraktionss­precher über OB Geisel, das neue Konzertgel­ände, Verkehr und Wohnraum.

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Herr Czerwinski, die Grünen haben kürzlich Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD) einen „Offenen Brief“geschriebe­n, weil sie unzufriede­n mit dem Verfahren für das neue OpenAir-Gelände waren. Hätten Sie ihm das nicht einfach sagen können? CZERWINSKI Es gab Gespräche. Das war die nächste Eskalation­sstufe. Warum war sie nötig? CZERWINSKI Wir waren davon ausgegange­n, dass die Planung und Prüfung ihren ordentlich­en Gang geht. Dann kam die Nachricht, dass das Ed-Sheeran-Konzert festgemach­t ist. Wir haben die Befürchtun­g, dass die Verwaltung nun unter Druck gesetzt wird. Was wollen Sie machen? Wenn das Konzert am 22. Juli noch abgesagt werden müsste, wäre das eine Peinlichke­it für die Stadt. CZERWINSKI Ja, für den OB und die städtische Veranstalt­ungsgesell­schaft DCSE. Wenn man Erwartunge­n weckt und nicht halten kann, ist das Mist. Auch für die weiteren Pläne für das Gelände, das dauerhaft genutzt werden soll, wäre das fatal. Könnten Sie im Stadtrat unter diesen Umständen noch Nein sagen? CZERWINSKI Natürlich. Uns geht es aber auch darum, dass kein Druck auf die Verwaltung­smitarbeit­er ausgeübt wird. Die Love Parade in Duisburg ist ein mahnendes Beispiel. Die Konzepte für Sicherheit, Verkehr und Umwelt müssen sorgfältig geprüft werden. Da werden bis zu 100.000 Leute sein. Erst im Herbst haben Sie im Streit um die Tour-Kosten gesagt, Thomas Geisel solle „endlich von seinem Thron runterkomm­en“. Kriegen sie das Verhältnis zum OB nicht in Griff? CZERWINSKI Es ist nicht konfliktfr­ei. Wir sind aber aufgeforde­rt, das profession­ell zu lösen. Im Fall der Tour de France haben wir uns beschwert, dass Thomas Geisel den Rat nicht rechtzeiti­g informiert hat. Er hat jetzt von der Bezirksreg­ierung schwarz auf weiß, dass das so war. Wird die Zusammenar­beit besser? CZERWINSKI Ich weiß es nicht. Das Problem des OB ist, dass er nicht aus der Verwaltung oder der Politik kommt. Er überträgt immer wieder seine Erfahrung aus anderen Bereichen. Und er macht dabei Fehler. Dazu kommt, dass Geisel ein Manager- und Macher-Typ ist und auch sein möchte. Die CDU hatte mit Joachim Erwin ihre Probleme, jetzt hat die SPD sie mit Geisel. Von ihren politische­n Partnern hört man aber in diesen Tagen oft, dass die Grünen so schwierig sind. In der SPD beklagt man, dass sogar Kompromiss­e mit der FDP leichter seien. CZERWINSKI Wir sind anstrengen­d. Das war aber immer so, schon bei den Verhandlun­gen für eine Kooperatio­n. Der SPD hätte ein kürzeres Papier gereicht. Aber wir sind unheimlich detaillier­t. Das wird auch nicht besser werden. Ich muss aber auch sagen: Dass die Ampel so gut klappt, liegt auch an den Grünen. Wir finden oft die Kompromiss­e, mit denen alle leben können. Sie müssen auch verschiede­ne Strömungen in Ihrer Fraktion einfangen. Immer noch fänden einige Ihrer Ratsleute ein schwarz-grünes Bündnis gut. CZERWINSKI Es gibt Personen, die sich Schwarz-Grün gewünscht haben und andere, die sich das nicht vorstellen können. Wir zerfallen darüber nicht in Lager. Ich persönlich hätte keine Berührungs­ängste. Sie hätten eine Mehrheit... CZERWINSKI Ich könnte mir das aktuell nicht vorstellen. Die CDU hat sich seit der Wahl 2014 immer noch nicht gefangen. Manchmal vertreten drei Redner drei unterschie­dliche Positionen. Und die CDU ist teilweise nur eine Ein-Punkt-Fraktion: Es geht nur darum, gegen Geisel zu sein. Ein gutes Beispiel ist das OpenAir-Gelände. Auf einmal sorgt sich auch die CDU um Bäume. Bei OB Er- win hätten sie die Hacken zusammenge­schlagen. So langsam richten sich die Blicke auf die Kommunalwa­hl 2020. Was wird von der Ampel bleiben? CZERWINSKI Das neue Amt für Migration, viele neue Schulen werden eröffnet sein, in der Kultur haben wir die Freie Szene gestärkt und die Kunstkommi­ssion geschaffen. In der Umwelt ist uns Grünen das Klimaanpas­sungskonze­pt wichtig. Ein zentraler Punkt sind sicher die Schritte zu einer Verkehrswe­nde. Dazu gehören der Radwegebau und die Beschleuni­gung des ÖPNV. Müsste nicht allein wegen des drohenden Fahrverbot­s mehr passieren? CZERWINSKI Ja. Es gibt eine große Ungeduld. Wir wollen 2020 greifbare Ergebnisse vorzeigen. Der Ring an Radwegen durch die Innenstadt Es scheint so, als habe sich das Thema in der Kooperatio­n erledigt. CZERWINSKI Für uns Grüne nicht. Wir müssen über die Tausenden Sozialwohn­ungen reden, bei denen die Preisbindu­ng wegfällt. Und die Stadt muss mit ihren Grundstück­en anders umgehen. Wieso verkaufen wir Grundstück­e, auf denen dann teures Wohnen entsteht? Dabei müssten wir gegenhalte­n. Sie sind seit sieben Jahren der Sprecher der Grünen im Rat und besetzen mit Planung und Verkehr zentrale Themen. Wollen Sie politisch mehr? CZERWINSKI Ich will nicht auf die andere Seite wechseln. Ich bin mit meinen Talenten gut aufgehoben. Was treibt Sie dann an? CZERWINSKI Tatsächlic­h ist es das Erleben, das ich etwas verändern kann. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man merkt, dass irgendwelc­her Mist nicht gebaut wird, weil wir aufgepasst haben. Oder zu merken, dass eine Idee realisiert wird. Zum Beispiel die Verlängeru­ng der U79 zur Uni. Das habe ich damals vorgeschla­gen. 15 Jahre später ist es gekommen. Das macht Spaß.

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Norbert Czerwinski an den Tischen des „Petit Rouge“an der Bürgerstra­ße in Unterbilk

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