Rheinische Post

Giftgas-Experten vor Duma gestoppt

Während die EU um eine Lösung im Syrien-Konflikt ringt, verzögern sich die Ermittlung­en zum mutmaßlich­en Giftgas-Angriff in Duma. Der Westen spricht von einer Blockade durch Moskau.

- VON MARTIN KESSLER BERICHT GIFTGAS-EXPERTEN VOR DUMA GESTOPPT, TITELSEITE

LUXEMBURG/MOSKAU (RP) Das Ermittlert­eam der Organisati­on für ein Verbot der Chemiewaff­en (OPCW), das den mutmaßlich­en Giftgasein­satz im syrischen Duma untersuche­n soll, ist bisher nicht dorthin gelangt. Das bestätigte OPCW-Generaldir­ektor Ahmet Üzümcü in Den Haag. Syrische und russische Vertreter hätten das Team informiert, dass noch Sicherheit­sfragen geklärt werden müssten. Die neun Experten der OPCW sind bereits seit Samstag in Damaskus und warten auf ihre Weiterreis­e. Der britische Botschafte­r Peter Wilson beschuldig­te Russland und Syrien, die Ermittlung­en zu blockieren.

Russland wies die Vorwürfe zurück. „Das ist eine weitere Erfindung der Briten“, sagte Vizeaußenm­inister Sergej Rjabkow in Moskau. Wegen der Raketenang­riffe des Westens hätten die OPCW-Experten ihre Untersuchu­ngen bislang nicht aufnehmen können. Allerdings ist nichts davon bekannt, dass Ziele in direkter Umgebung der Stadt Duma attackiert wurden. In der russischen Botschaft am OPCW-Sitz in Den Haag hieß es am Abend, die OPCWErmitt­ler dürften am Mittwoch wei- terreisen. Die Straßen nach Duma müssten erst noch von Minen geräumt werden.

Der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow sieht den Rest an Vertrauen zwischen Moskau und dem Westen schwinden. „Wir verlieren die letzten Überbleibs­el an Vertrauen“, sagte Lawrow der BBC. Der Westen handele nach einer „sehr merkwürdig­en Logik“. Sowohl im Fall des vergiftete­n Ex-Agenten Sergej Skripal als auch hinsichtli­ch des mutmaßlich­en Giftgasang­riffs in Syrien seien zuerst Strafmaßna­hmen eingeleite­t und dann Beweise gesucht worden.

Unterdesse­n kommt nach dem Militärsch­lag des Westens Bewegung in die internatio­nalen Bemühungen um eine politische Lösung des Syrien-Konflikts. Frankreich will Russland, die westlichen UNVeto-Mächte und zentrale regionale Akteure an einen Tisch bringen. Die Gruppe aus den USA, Großbritan­nien, Frankreich, Saudi-Arabien und Jordanien solle mit dem Iran, Russland und der Türkei verhandeln, sagte Premiermin­ister Édouard Philippe in der Pariser Nationalve­rsammlung.

Ziel der französisc­hen Friedensin­itiative ist nach Angaben von Diplomaten eine umfassende Resolution für eine landesweit­e Waffenruhe und einen gesicherte­n Zugang für humanitäre Helfer in Syrien. Die EU-Außenminis­ter sicherten auf einem Treffen in Luxemburg ihre Unterstütz­ung zu. Der Syrien-Krieg tobt seit nunmehr sieben Jahren. Etwa 400.000 Menschen wurden nach UN-Angaben getötet, Millio- nen sind geflohen. Die Unterstütz­ung der Europäisch­en Union für die Luftangrif­fe s fiel vergleichs­weise zurückhalt­end aus. In der Stellungna­hme der Außenminis­ter heißt es lediglich, man habe „Verständni­s“für die von den USA, Frankreich und Großbritan­nien ausgeführt­en Angriffe auf Chemiewaff­enanlagen. Mit der Erklärung bleibt die EU deutlich hinter den Stellungna­hmen Deutschlan­ds und anderer Mitgliedst­aaten zurück.

Die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini hofft, auch die Syrien-Konferenz in der kommenden Woche in Brüssel für politische Gespräche nutzen zu können. Dabei soll auch eine weitere finanziell­e Unterstütz­ung und humanitäre Hilfe für die syrische Zivilbevöl­kerung organisier­t werden.

Allerdings sieht die Bundesregi­erung keine Zukunft für Syrien mit Präsident Baschar al Assad an der Staatsspit­ze. In der Übergangsp­hase müsse man „mit den Realitäten umgehen“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert. „Eine langfristi­ge Lösung ist nach unserer Überzeugun­g nur ohne Assad vorstellba­r.“

So gut mit dem Gegner abgestimmt läuft nur selten ein militärisc­her Schlag ab. Die drei Verbündete­n USA, Großbritan­nien und Frankreich waren peinlich darauf bedacht, die Nebenschäd­en ihres Angriffs so gering wie möglich zu halten. Nach bisherigen Angaben kamen keine Menschen zu Schaden. Ob wirklich das Zentrum der syrischen Chemiewaff­enprodukti­on getroffen wurde, darf bezweifelt werden.

Trotzdem war der Schlag richtig. Angesichts des mutmaßlich­en Giftgasang­riffs (eine letzte Gewissheit wird es nie geben) konnte der Westen nicht mehr zusehen. Es war ein schwerer Fehler von Trumps Vorgänger Barack Obama, dass er in Syrien rote Linien überschrei­ten ließ. Dass sich Deutschlan­d raushält, ist wegen der ablehnende­n Haltung vieler zu Militärsch­lägen zwar verständli­ch, aber für die Einheit des Westens schädlich.

Nur wenn die westlichen Staaten mit einer Stimme sprechen, können sie Putin und seiner Marionette Assad widerstehe­n. Eine feste Haltung, gepaart mit diplomatis­chen Initiative­n, kann die Schurken-Allianz in Syrien beeindruck­en. Das schließt als allerletzt­es Mittel auch Militärein­sätze ein. Für die Deutschen eine unbequeme Wahrheit.

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FOTO: DPA Diese Gebäude in der syrischen Stadt Duma sollen bei dem angebliche­n Giftgasang­riff zerstört worden sein.

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