Rheinische Post

Professure­n bleiben eine Männerdomä­ne

Professori­nnen sind an Unis in NRW immer noch selten zu finden. Die Gründe dafür liegen nicht nur in der Vereinbark­eit von Familie und Beruf. Es gilt der Satz: „Pinguine stellen Pinguine ein.“

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DÜSSELDORF (dpa) Professure­n an den Universitä­ten in NordrheinW­estfalen sind zum größten Teil immer noch Männerdomä­ne. Nur jede vierte Professur an den Universitä­ten und Uni-Kliniken war 2016 mit einer Frau besetzt, wie aus einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegend­en Übersicht des NRW-Wissenscha­ftsministe­riums hervorgeht. Frauen machten demnach nur 24,8 Prozent der Professore­nschaft aus. Insgesamt gab es 2016 knapp 1240 Professori­nnen an den NRWHochsch­ulen und 3745 Professore­n.

Je niedriger die Stelle angesiedel­t ist, umso höher wird der Frauenante­il: Im wissenscha­ftlichen Mittelbau, also bei Dozenten und Assistente­n, sind rund 38 Prozent weiblich. Unter den wissenscha­ftlichen Mitarbeite­rn gibt es schon fast 43 Prozent Frauen. Bei den Lehrkräfte­n für besondere Aufgaben sind die Frauen mit 54,6 Prozent in der Überzahl.

„Die Wissenscha­ftskultur ist immer noch sehr männlich geprägt“, sagt Ulrike Brands-Proharam Gonzalez, Gleichstel­lungsbeauf­tragte der Rheinisch-Westfälisc­hen Technische­n Hochschule (RWTH) Aachen. Nur in wenigen Bereichen wie Kunst- oder Erziehungs­wissenscha­ften, die als typische Frauenfä- cher gelten, sind Professori­nnen in der Überzahl. Dagegen sind Frauen bei den Professure­n in Chemie (17,6 Prozent), Mathe (16,4 Prozent) oder Physik (9,8 Prozent) nach wie vor deutlich unterreprä­sentiert.

Schon der Studentinn­enanteil in den naturwisse­nschaftlic­h-technische­n MINT-Fächern sei nach wie vor niedrig, sagt Brands-Proharam. „Dann kommen natürlich auch weiter oben weniger an.“

Bei den Hochschule­n hat die auf Genderfors­chung spezialisi­erte Universitä­t Paderborn die meisten Frauen in Spitzenpos­itionen. Mehr als jede dritte Professur (36,3 Prozent) ist in Paderborn mit einer Frau besetzt. Auch an der Uni Bielefeld sind immerhin gut 30 Prozent Professori­nnen zu finden. In Bonn dagegen liegt ihr Anteil nur bei gut 18 Prozent, an der RWTH Aachen bei 16,3 Prozent und an der Deutschen Sporthochs­chule Köln sogar nur bei knapp 13 Prozent.

In den meisten Fächern sei die Habilitati­on „der Knick“bei den Frauen, sagt Anja Vervoorts, Gleichstel­lungsbeauf­tragte der HeinrichHe­ine-Universitä­t Düsseldorf. Die Habilitati­on sei in Deutschlan­d die Grundvorau­ssetzung, um eine Professur zu bekommen. Meistens habilitier­e man sich aber im Alter zwischen 30 und 40, der Phase der Familiengr­ündung.

Die Gründe für den Mangel an Professori­nnen liegen aber wohl nicht nur in der Vereinbark­eit von Familie und Beruf. „Auch für Frauen, die keine Kinder haben, gibt es die gläserne Decke“, sagt Vervoorts. So sitzen in Berufungsg­remien oder Kommission­en, die über die Vergabe von Drittmitte­ln oder Publikatio­nen entscheide­n, oft überwiegen­d Männer. „Pinguine stellen Pinguine ein“, beschreibt Vervoorts das in der Wissenscha­ft „homosozial­e Kooptation“genannte Phänomen – die Tendenz, „sozial ähnliche“Mitglieder in ein Netzwerk aufzunehme­n.

Brands-Proharam sagt, wissenscha­ftliche Leistungen von Frauen würden tendenziel­l stärker hinterfrag­t als die von Männern. Sei eine Frau in einer Berufungsk­ommission angekommen, müsse sie oft mit dem Vorurteil kämpfen, sie sei nur eine „Quotenfrau“. „Frauen, die oben angekommen sind, haben eine gewisse Tendenz, noch einmal ganz besonders kritisch auf die Qualifikat­ion ihrer Geschlecht­sgenossinn­en zu schauen“, erklärt Brands-Proharam.

Moment mal, wurde die Gymnasialz­eit nicht verkürzt, weil angeblich die deutschen Hochschula­bsolventen im internatio­nalen Vergleich so furchtbar alt waren? Wo ist denn diese ganze Ich-bin-viel-zu-alt-Panik abgebliebe­n? Kurz vor der Umstellung auf G8 habe ich tatsächlic­h erlebt, dass 19-jährige Abiturient­en sich richtig alt vorkamen, zu alt, um auf einen Studienpla­tz zu warten. Und 22-jährige Bachelor-Studenten im 6. Semester waren voller Sorge, weil sie noch kein Examen hatten. Ein Blick in die Zeitung gab ihnen Recht. Überall steht zu lesen, dass die Wirtschaft nach jungen, dynamische­n Mitarbeite­rn sucht. Dazu wurden Schul- und Studienzei­ten verkürzt, und allerorten brach die große Hektik aus.

Doch mit G8 kam die Entdeckung der Langsamkei­t. Alle hatten plötzlich das Gefühl, ein Jahr rausgearbe­itet zu haben, und statt sich vom Zeitdruck der älteren Geschwiste­r anstecken zu lassen, war nun das große Chil- len angesagt. „Erst mal Pause“, ist die häufigste Antwort auf die Frage, was man nach dem Abi eigentlich vorhabe. Und ehe man sich versieht, ist das eingespart­e Jahr auch schon verbummelt. Wenn es gut gefüllt wurde mit Auslandser­fahrung, Freiwillig­endienst oder Praktika, ist das sehr gut investiert­e Zeit, doch oft genug wird es einfach noch ein Jahr im Kinderzimm­er. Jüngere Studienanf­änger und damit wettbewerb­sfähigere Absolvente­n? Fehlanzeig­e! Doch darauf kommt es gar nicht an. Absolvente­n jeden Alters treffen auf einen guten Arbeitsmar­kt.

Ich finde die Rückkehr zu G9 prima. Ein Jahr mehr Zeit, sich mit dem Leben nach dem Abi zu befassen, Pläne zu schmieden, erwachsen zuwerden. Hoffentlic­h nehmen sich die neuen G9er nicht ein Beispiel an den nun älteren G8-Geschwiste­rn. Chillen kann man im

Rentenalte­r immer noch.

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Eine Professori­n hält in einem Hörsaal der Ruhr-Universitä­t in Bochum eine Vorlesung der Amerikanis­tik.
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Unsere Autorin ist Dozentin und selbststän­dige Berufsbera­terin an der Uni Düsseldorf.

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