Wir schaffen das
Der Kölner „Tatort“erzählt von drei Familien, in denen der schöne Schein brutal zerbricht.
KÖLN Nein, keine Bange, es geht nicht wieder um Flüchtlinge. Aber der Merkel-Imperativ vom „Wir schaffen das“ist dennoch das Mantra dieses Kölner „Tatort“. Es ist eine Grundeinstellung, eine Haltung, die die Protagonisten dieses Films, drei, nun ja, Familien, teilen. Und das ist auch gar nicht so verkehrt, weil es vom Willen zeugt, alles durchzustehen. Andererseits wirkt es eben völlig hilflos. Aber von vorn.
Ein Junggesellenabschied in Köln, wie man ihn so kennt. Albernes Outfit, alberne Schärpe („Bride to be“), alberner Bauchladen und natürlich albern viel Alkohol. Das macht den Beteiligten stets immens viel Spaß, wie sich in den Altstädten von Köln und Düsseldorf wöchentlich beobachten lässt. In diesem Fall aber landet der Bräutigam, der eine Woche vor der Hochzeit steht und ein kleines Kind hat, unter einem Auto. Betrunken hatte er eine Sporttasche mit einem Haufen Geld im Mülleimer an der Bushaltestelle gefunden und mitgenommen. Kurz danach überrollt ihn ein Kleinwagen.
Es ist das erste von drei Dramen, die die Kölner Kommissare Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) in „Familien“aufspüren. Das zweite schließt sich direkt an, denn der Bräutigam hat eine Lösegeldübergabe verhindert. Die 19-jährige Charlotte Ritter (Anke Sabrina Beermann) wurde entführt; die Eltern und der Großva- ter, ein ehemaliger, erfolgreicher Anwalt, wollen nicht, dass die Polizei eingreift. Aber weil da nun ein Toter ist, greift sie ein, und sie findet freilich auch alles andere heraus, was die Familie geheimzuhalten versucht. Das dritte Drama schließlich erzählt von der kaputten Familie von Charlottes Freund Kasper Fröhlich (beeindruckend: Anton von Lucke). Nur im „Tatort“heißen die Todtraurigen Fröhlich.
Das ist ein wenig das Problem dieser ansonsten sehr sehenswerten Kölner Episode. Manche Figuren sind stark überzeichnet. Etwa die Mutter von Kaspar Fröhlich, die von ihrem Job als Pflegerin – warum das als schlechter Job dargestellt wird, erschließt sich nicht – nach Hause kommt und sich demonstrativ erstmal zwei Gläser Weißwein reinkippt, zum Runterkommen, wie sie sagt. Oder, mal wieder, Kommissar Schenk. In seiner Person lassen die Autoren den Kölner „Tatort“zur Stereotype verkommen. Mal wieder tauchen Oldtimer und Eheprobleme auf, mal wieder braucht die Geschichte das nicht.
Dieser „Tatort“erzählt von drei Familien, die allesamt vordergründig mehr oder minder funktionieren. Und er erzählt davon, dass es oft nur eine dünne Schicht aus Eis ist, die die Normalität vom Chaos trennt. Abgesehen von der Familie des Bräutigams leiden alle am Schweigen. Sie halten am Gewohnten fest und reden nicht über die Probleme, die greifbar sind.
Die Auflösung gerät fast ein wenig simpel, aber ihre Brutalität schlägt mit Wucht zu: Der Verlauf der vielen Schicksale wirkt vermeidbar. Wir schaffen das eben manchmal doch nicht. Das gehört wohl dazu.