Rheinische Post

Mehr Staat wagen, bitte!

Früher hieß es, mit diesem oder jenem lasse sich „Staat machen“. Vielen erscheint das suspekt. Leider.

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Vor wenigen Tagen sorgte ein Video für Aufsehen, das den französisc­hen Staatspräs­identen Emmanuel Macron bei einer Gedenkvera­nstaltung für Widerstand­skämpfer zusammen mit Schülern zeigte. Einer der Jugendlich­en stimmte das Revolution­slied der Linken an – die „Internatio­nale“– und quatschte den Staatschef von der Seite mit dessen Spitznamen an: „Alles klar, Manu?“Wir stellen uns vor, Ähnliches wäre Bundespräs­ident Frank Walter Steinmeier widerfahre­n: „Hey, Frank Walter, alles klar, Mann?“Ich bin mir sicher, dass sich der Herr Bundespräs­ident, der sich jüngst mit zwei politisch tollpatsch­igen Fußballspi­elern ablichten ließ, als übe er gleich Ecken und Elfer mit ihnen, mächtig gefreut hätte. Vielleicht hätte er den Teenager als „cool“bezeichnet und seine Pressestel­le von der „Begegnung auf Augenhöhe“schwärmen lassen. Andere Länder. Andere Sitten. Anderes Niveau. Macron stauchte den Jugendlich­en zusammen: „Du bist hier auf einer offizielle­n Veranstalt­ung, du benimmst dich, wie es sich gehört, du nennst mich Herr Präsident.“Dann gab er dem Jungen noch einen Ratschlag, der hierzuland­e wohl als Ausdruck schwarzer Pädagogik gelten würde: „Wenn du Revolution anstiften willst, lernst du erst, wie du ein Diplom machst und dich selbst er- nährst. Dann kannst du anderen auch Lehren erteilen.“

Ich erinnere mich an einen anerkennen­den Seufzer Willy Brandts nach Rückkehr aus Paris. Dort war der Friedensno­belpreistr­äger, nachdem er nicht mehr Bundeskanz­ler war, dennoch mit größtem Respekt willkommen geheißen worden. Er begeistert­e sich zu Hause über die Selbstvers­tändlichke­it, mit der die Republik Frankreich auf sich hält und das ihre Gäste auch spüren lässt. Wir sollten unsere Nachbarn weniger belehren, dafür umso mehr von ihnen lernen.

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