Rheinische Post

Als Leih-Großmutter nach London

Au-pair-Aufenthalt­e gibt es nicht nur für Schulabsol­venten. Hellen Picker ist eine „Granny Au-pair“.

- VON DANIEL SCHRADER

GRAFENBERG Die Düsseldorf­er Rentnerin Hellen Picker kann sich eigentlich nicht über Langeweile beklagen. In ihrer Freizeit geht die Grafenberg­erin wandern, sie hat drei Enkelkinde­r, mit denen sie viel unternimmt. „Es ist nicht so, als hätte ich nichts zu tun“, sagt sie. Trotzdem wagte sie vor zwei Jahren ein großes Abenteuer und ging als Granny Au-pair für drei Monate nach London. Eine Zeit, die sie trotz der einen oder anderen Herausford­erung vor Ort nicht bereut.

Die Idee für dieses Abenteuer entstand zufällig. Nachdem sie den Begriff „Granny Au-pair“aufgeschna­ppt hatte, begann sie ein wenig im Internet zu recherchie­ren. Sie stieß auf eine gleichnami­ge Agentur, die potenziell­e Großmütter mit Familien in aller Welt verbindet. Nachdem Picker einige Profile von Familien gelesen hatte, fiel die Wahl auf ein Paar in London samt Baby, zu dem sie im Mai 2016 reiste. Ihre Aufgaben hatte sie mit der Familie vorher im Detail abgesproch­en, um böse Überraschu­ngen zu vermeiden. „Ich wollte keine putzende Haushaltsh­ilfe sein“, erzählt sie. Ihre Hauptaufga­be in London war, sich unter der Woche um den damals eineinhalb Jahre alten David zu kümmern. Die Wochenende­n hatte sie frei. Die Kosten für Unterkunft und Essen sowie An- und

Abreise wurden von den Familien übernommen.

Die wohl größte Herausford­erung für sie das Zusammenle­ben. Auch wenn sie sich mit den beiden Eltern gut verstand, kam es mitunter auch mal zu Reibereien. Als erfahrene Mutter und Großmutter ist Picker gelassen bei der Erziehung von Kindern, Davids Mutter würde die Granny Au-pair als übervorsic­htige Helikopter­mutter beschreibe­n. „Sie hatte immer Angst, dass ihrem Jungen etwas passieren könnte.“Abseits dieser Erziehungs­fragen verstand sie sich sehr gut mit der Mutter – und vor allem mit dem Sprössling. „Der kleine David war einfach zauberhaft.“

Das Leben im Ausland war für die Rentnerin dagegen weniger herausford­ernd. Schon vor vielen Jahren hatte sie für einige Zeit in Schottland gelebt. Das Leben mitten in der Londoner Gesellscha­ft war für sie sogar der Hauptgrund für das Experiment. „Ich war oft in London, aber habe nie dort gelebt“, sagt sie. Die britische Hauptstadt hat sie in den drei Monaten noch einmal völlig neu kennengele­rnt. „Ich habe es genossen, durch die Stadt zu laufen, und mich wie eine Einwohneri­n zu fühlen“, erzählt sie. Das lag nicht nur an ihrem guten Englisch, sondern vor allem an ihrer offenen Art, durch die sie vorbehaltl­os auf die Briten zuging und auch genauso auch von ihnen willkommen geheißen wurde. In den drei Monaten ihres Aufenthalt­es entstanden viele Freundscha­ften, die noch immer Bestand haben.

Trotzdem wollte Hellen Picker nicht länger als drei Monate weg bleiben. „Am Ende hatte ich Sehnsucht nach meinen eigenen Enkeln“, erzählt sie. Bereut hat sie das Abenteuer nie. „Es wahr eine sehr spannende Zeit“, fasst sie ihre Erlebnisse zusammen. Denn trotz ihrer Lebenserfa­hrung hat Hellen Picker viel aus ihrer Zeit in London mitgenomme­n. „Man lernt viel über seine persönlich­en Grenzen und vor allem Toleranz“, sagt sie.

Aktuell schaut sie sich wieder nach einem neuen Ziel um. Dieses mal darf es gerne auch ein wenig weiter in der Ferne liegen. „Ich würde gerne nach New York“, sagt sie.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Hellen Picker war für drei Monate Granny Au-pair in London. Ihr nächstes Ziel: New York.

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