Der ganz andere Schützenverein
Die Gesellschaft Reserve feiert ihr 160-jähriges Bestehen - dabei ist der Name im Grunde eine Mogelpackung. Wenn es sein muss, wird auch schon mal nachts im Schlossteich geschwommen.
Weil diese Männer ganz offensichtlich einen Sinn für Ironie, Satire und Humor haben, darf man das so sagen: Der Name Gesellschaft Reserve ist im Grunde eine Mogelpackung. Denn er klingt eher zurückhaltend, standesbewusst, ja: gediegen und – das Wortspiel sei erlaubt – irgendwie reserviert. Alles falsch. Dieser Verein, der sich Gesellschaft nennt, ist zwar eng verbunden mit dem Düsseldorfer Sommerbrauchtum, also den Schützen, aber er ist dennoch in vielen Dingen ganz anders und entspricht nicht dem Klischee vom Uniform tragenden Schützen mit Orden an der Brust beim Stechschritt zu schmissiger Marschmusik.
Das fängt mit dem Tuch an, das jeder Reservist am Halse trägt. Es ist von dunkler Farbe (blau-schwarz) und gepunktet. Da steckt bestimmt eine Anekdote dahinter, muss man denken. Ja, stimmt: Andreas Achenbach (1815 - 1910), berühmtes Mitglied der Düsseldorfer Malerschule und wie die anderen Mitglieder der Künstlergruppe ein Reservist, hat das Tuch kreiert. Seitdem, da ist man traditionsbewusst, wurde es nicht mehr verändert. Es ist eine gebundene Schleife und keine Fliege, darauf legt man Wert, sagt Carsten Meier (47), Chef des 3. Zuges des Vereins. Ingesamt besteht die Reserve aus fünf Zügen, jeder ist sehr selbständig mit eigener Leitung, aber alle haben ein hohes Zusammengehörigkeitsgefühl mit dem Gesamtverein. Am ersten Montag im Monat trifft man sich im Schlüssel an der Bolkerstraße. Dessen Inhaber, Karl Heinz Gatzweiler – man ahnt es – ist ebenfalls Mitglied.
Womit wir beim Kern der Truppe sind – wer ist Reservist, und wer kann es werden? Im Prinzip jedermann. Wobei die Betonung auf Mann liegt, Frauen dürfen nicht eintreten. Der Vorstand um Präsident Wilfried Kiefer, Carl-Albrecht Schade und Dietmar Schwabe-Werner findet das auch ok so, zumal man ja nicht allein sei: Bei den Jonges gebe es ebenfalls keine weiblichen Mitglieder, und bei ein paar Karnevalsgesellschaften auch nicht.
Abgesehen von dieser Einschränkung ist der Querschnitt der Aktiven (rund 300 zählt man) ziemlich bunt. Es sind eine Reihe Ausländer dabei, und alle Berufsgruppen vertreten: Bestatter, Handwerker, Wirte, Kaufleute. Im Grunde so wie damals, bei der Gründung vor 160 Jahren, als die Gesellschaft Reserve als typischer Schützenverein aus der Mitte der konservativ-bürgerlichen Gesellschaft gegründet wurde. Politisch ist man neutral, liberal und tolerant. Das jedoch endet bei Ausländerfeindlichkeit oder Antisemitismus, da hört jede Reserviertheit auf, betont man. Könnte ein Muslim eintreten? Religion spiele keine Rolle, darauf legt man Wert – der Mensch muss passen. Um das festzustellen, schaut man sich Bewerber einige Male bei den Treffen an, zudem braucht er zwei Bürgen.
Dabei sind u.a.: Füchschen-Chef Peter König, Bäcker Josef Hinkel, Prinzen-Club-Chef Jobsi Driessen, Ex-Fortuna-Präsident Peter Förster, Immobilien-Experte Jörg Schnorrenberger, TV-Star (und Bar-Besitzer) Michael Naseband und Bestatter Claus Frankenheim. Zudem OB Thomas Geisel. Letzterer nicht zuletzt, weil die „Reserve“traditionell allen OB angeboten hat, Ehrenmitglied zu werden – was sie stetes gerne annahmen. Am aktivsten war Joachim Erwin, erinnert sich der Vorstand. Thomas Geisel ist aber auch schon in der spinatgrünen Uniform mit der gepunkteten Schleife gesehen worden. Als in den 1990er Jahren Marlies Smeets die Stadt führte, geriet der Verein satzungsgemäß kurz ins Grübeln, blieb aber am Ende seinen Prinzipien treu – keine Ausnahme für die sehr populäre Oberbürgermeisterin.
Ansonsten ist vor allem der 3. Zug immer für schwer zu ignorierende Aktionen gut. Die Mitglieder dieser Truppe stellten die Heimholung des damaligen Akademie-Professors Joseph Beuys (in den 1970er Jahren durch Kunststudenten) über den Rhein per Kanu nach. Und eini- ge von ihnen schwammen vor zwei Jahren nachts quer durch den Benrather Schlossweiher, um eine von Witzbolden aufgestellte Plastikpalme auf der kleinen Insel mitten im Gewässer gegen eine echte auszutauschen. Die dort ursprüngliche gewachsene Trauerweide war 2014 dem Sturm Ela Opfer gefallen. Der Baum blieb stehen, bis man die Außenanlagen wieder in die ursprüngliche Optik brachte. Heute gedeiht die Palme im Garten eines Benrather Reservisten.
Ein paar hochgezogene Augenbrauen gab es wegen eines erotischen Kalenders, den der 3. Zug vor ein paar Jahren publizierte. Einige Mitglieder zeigten sich dort gänzlich un-uniformiert, lediglich die Mini-Reservisten waren jeweils kreativ verdeckt – z.B. vom Schützenhut. Fotograf und Models hatten, wie unschwer zu erkennen war, reichlich Spaß, der Kalender verkaufte sich nicht schlecht und der Erlös floss in eine der karitativen Aktionen, die die Gesellschaft regelmäßig und großzügig unterstützt. 2018 feiert die Reserve den 160. Jahrestag ihrer Gründung. Sich angesichts des hohen Alters künftig reservierter zu geben, ist definitiv nicht geplant.