„Heuchler, Sündenbock, Sprachrohr“
Mesut Özil war als deutscher Nationalspieler ein Symbol der Integration. Nach seinem Rücktritt und der Abrechnung mit dem
DFB ist er nur das Symbol für die Zerrissenheit von Deutschtürken. Die Reaktionen von Migranten und Türkeistämmigen zeigen, wie gespalten die Meinungen über das Verhalten des Fußballstars sind. „Das ist ein vielschichtiges Thema. Es dürfen durchaus zwei Herzen in Özils Brust schlagen. Das Problem ist aber, dass Erdogan kein demokratischer Präsident ist. Das Foto mit ihm war ein Fehler, den Özil hätte eingestehen müssen. Und er sollte mit seiner Kritik nun keinen Keil in die Gesellschaft treiben. Dass der DFB ihn nach der Weltmeisterschaft aber als Sündenbock auserkoren hat, ist genauso falsch.“Bünyamin Türkhan (35) aus Mönchengladbach „Ich glaube, dass Deutschland toleranter ist, als Özil behauptet. Zu mir sind die Menschen sehr nett und die Deutschen sehr tolerant.“Koshnaf Sheikn Ahmad (21) aus Duisburg „Ich finde es nicht okay, dass alle auf Özil rumhacken. Ich bin selbst nicht für Erdogan, aber die Behandlung, die Özil erfährt, ist unfair. Er hat sich entschieden, für Deutschland zu spielen, nicht für die Türkei, weil sein Herz für Deutschland schlägt. Das sollte doch etwas heißen.“ aus Meerbusch „Ich kann Özil teilweise verstehen, aber er war nicht selbstkritisch genug. Das Foto mit Erdogan kurz vor der WM war ein Fehler. Er hätte die Reaktionen der Deutschen vorhersehen müssen. Aber das WM-Versagen war nicht seine Schuld.“Baris Kanik (27) aus Duisburg „ Jemand, der mit Erdogan ein Foto macht, hat nicht das Recht, wegen Rassismus rumzuheulen. Das ist Heuchelei. Trotzdem ist man selbst bei guten Leistungen immer noch der Ausländer, Rassismus hört da nicht auf.“Seda Cetintas (23) aus Duisburg „Der Ärger über das Foto mit Erdogan war übertrieben. Ich hätte es wie Özil gemacht – er war unglücklich und ist deswegen zurückgetreten. Ich hätte von den Deutschen mehr Respekt gegenüber Özil erwartet. Er ist hier geboren, hat hier gelebt und für Deutsch
land gespielt.“Emre Ceylan (37) aus Duisburg „An Özils Vorwürfen ist schon etwas dran. Ausländer haben es manchmal schwerer in Deutschland, zum Beispiel bei der Wohnungssuche. Ich habe in Düsseldorf acht Monate gebraucht, um eine Wohnung zu finden. Und die habe ich schließlich nur über einen deutschen Kumpel bekommen. Manche Deutsche haben Angst vor mir, aber die Leute in meinem direkten Umfeld sind anders.“Khaled Alhomada (22) aus Düsseldorf „Ich finde, man sollte seine Haltung zum Erdogan-Foto akzeptieren, er hat es rein aus seiner kulturellen Herkunft heraus getan. Deswegen würde ich das nicht als einen Fehler betiteln. Dass er nach den wüsten Beleidigungen nun so reagiert hat, kann ich verstehen.“Oguzhan Kilicaslan (19) aus Düsseldorf „Özil hat mit seiner Kritik recht. Er hat als Fußballer das Foto mit Erdogan gemacht, das hat mit Politik nichts zu tun. Die deutschen Politiker und die Leute beim DFB sollten das nicht so eng sehen.“Mohamad Asif Sultani (48) aus Düsseldorf „Özil ist zum Sprachrohr einer großen Bevölkerungsgruppe geworden, indem er auf die Hetzkampagne gegen ihn reagiert hat. Wenn nicht ein erfolgreicher Fußballer wie er die Stimme gegen rassistisches Verhalten erhebt, wer dann? Wir sollten Özil dankbar dafür sein, dass er eine längst überfällige Auseinandersetzung mit Rassismus entfacht hat.“Duygu Disçi (27) aus Essen