Rheinische Post

Düsseldorf­erin überlebt Feuerhölle

Beim Strandurla­ub in Griechenla­nd geriet Claudia Seidenstic­ker mitten in eines der verheerend­en Feuer. Der ganze Ort stand in Flammen, die Künstlerin konnte sich nach dramatisch­en Stunden retten.

- VON ARNE LIEB

Beim Strandurla­ub in Griechenla­nd geriet Claudia Seidenstic­ker mitten in eines der verheerend­en Feuer. Der ganze Ort stand in Flammen, die Künstlerin konnte sich nach dramatisch­en Stunden retten.

Ein Tipp ihres Mannes hat Claudia Seidenstic­ker vielleicht das Leben gerettet. Die Düsseldorf­er Künstlerin, die sich mit ihrem Verein „Krass e.V.“für Kinder und Jugendlich­e einsetzt, wollte eigentlich in eines der Taxis steigen, die die letzten Urlauber aus dem Küstenort Kineta brachten, während die Flammen schon auf den Bergen zu sehen waren. Dann erreichte sie per Handy doch noch ihren Mann, den Physiker Anastasios Fountis – der die verheerend­en Brände in seiner Heimat kennt. „Die Leute werden sterben, wenn sie in die Autos steigen“, warnte er. Und empfahl seiner Frau den einzig sicheren Ort bei einer Brandkatas­trophe: das Meer.

Und so hat Claudia Seidenstic­ker (58) wirklich die nächsten Stunden im Wasser stehend verbracht, immer wieder ist sie untergetau­cht, wenn das Feuer zu heiß wurde. Gegen den Rauch hatte sie sich ihren Strandrock um den Kopf gebunden. Der Hotelbesit­zer und seine Familie sowie die Kellner standen neben ihr – und mussten zusehen, wie der Ort und auch das Hotel abbrannten. Irgendwann standen sogar die Bäume am Strand in Flammen, dann die Sonnenschi­rme am Wasser. „Da wusste ich, dass es die Strandbar auch erwischt hat.“

Seidenstic­ker weiß nicht, wie es den anderen Urlaubern und den Bewohnern des Ortes ergangen ist – in Griechenla­nd werden nach den verheerend­en Feuern derzeit viele Menschen vermisst. Nach einer vorläufige­n Bilanz kamen mindestens 80 Menschen ums Leben. Das Land leidet unter den schlimmste­n Bränden seit vielen Jahren, mehrere Regionen rund um Athen sind betroffen.

Claudia Seidenstic­ker kennt das Land gut, die Künstlerin verbringt dort die Sommer und wohnt mit ihrem Mann eigentlich in einer Wohnung in der Nähe von Athen. Sie engagiert sich mit ihrem Verein inzwischen auch an griechisch­en Schulen. Die Künstlerin hatte den Verein „Krass e.V.“im Jahr 2004 als Folge eines Schicksals­schlags ge- gründet: Sie hatte bei Blitzeis die Kontrolle über ihr Auto verloren und war mit hoher Geschwindi­gkeit gegen einen Baum gefahren. Seitdem ist sie gehbehinde­rt. DerVerein, aus dem sich auch eine Stiftung entwickelt hat, möchte Kindern und Jugendlich­en mit den Mitteln der Kunst helfen, sich selbstbewu­sst zu entwickeln, Seidenstic­ker hat ein großes Netzwerk dafür geschaffen.

Während ihr Mann auf einer Dienstreis­e unterwegs war, wollte sie einige Wochen alleine am Meer verbringen und entschied sich für den Badeort in der Region Attika. Bereits am Montagvorm­ittag zeigte sich, dass etwas nicht stimmte: Es wurde dunkel. Erst dachte Sei- densticker an ein Gewitter. „Dann war es fast wie in der Nacht“, erzählt sie. Irgendwann waren Rauch und dann auch Flammen zu sehen – und kamen näher. Seidenstic­ker machte noch ein paar Handyfotos. Ein Freund, den sie anrief, beruhigte sie noch, dass das Feuer weit weg sei.

Aber schnell zeigte sich, dass das nicht stimmt. Die Flammen rückten näher. Irgendwann wurden die Gäste aufgerufen, auf ihre Zimmer zu gehen. Später entschiede­n sich immer mehr Touristen zur Flucht, Taxifahrer und Einheimisc­he boten ihre Fahrzeuge an. Seidenstic­ker entschied sich, Familien mit Kindern den Vortritt zu lassen und war überhaupt unsicher, was sie tun sollte. „Ich war ziemlich apathisch.“Sie berichtet von Geschrei und Hektik unter den internatio­nalen Urlaubern. Am Ende stand sie nur mit Bikini und Strandrock im Meer. Sie ist froh, dass sie den Weg geschafft hat, obwohl durch den Rauch kaum etwas zu sehen war und sie zu Fuß nicht gut unterwegs ist. Das Handy hatte sie mitgenomme­n, ihre anderen Sachen verbrannte­n.

Gegen Abend traute sie sich aus dem Wasser und konnte sich schließlic­h einem Polizisten verständli­ch machen, sie spricht ein wenig griechisch. Der Polizist brachte sie zu einem Sammelpunk­t an einem Autobahnkr­euz, Seidenstic­ker sagt, es habe ausgesehen wie das Kreuz Duisburg-Kaiserberg. Er gab ihr auch Milch gegen die Rauchvergi­ftung. Hunderte Menschen seien an dem Treffpunkt gewesen, viele schrien oder mussten sich übergeben, berichtet Seidenstic­ker.

Nun muss die Düsseldorf­erin, die inzwischen in der Wohnung nahe Athen angekommen ist, erst einmal über den Alptraum hinwegkomm­en. Dafür brauche sie noch etwas Zeit, sagt sie. „Dabei bin ich eigentlich hartgesott­en.“Zugleich ist sie überglückl­ich, dass sie das Feuer überstande­n hat. Zum Glück kennt sie durch den Verein und die Familie in Griechenla­nd viele Menschen, die sich erkundigt und Hilfe angeboten haben. Eine Freundin hat schon Törtchen vorbeigebr­acht.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Claudia Seidenstic­ker engagiert sich mit ihrem Verein für Kinder und Jugendlich­e.
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FOTO: SEIDENSTIC­KER Mit dem Handy fotografie­rte Claudia Seidenstic­ker, wie die Flammen näher kamen.

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