Rheinische Post

Die Angst der Union vor Zersplitte­rung

Angesichts fallender Umfragewer­te bangt nach der SPD auch die Union um ihren Status als Volksparte­i. Die CSU wirft einer liberal-konservati­ven Mitglieder­plattform „Sektierert­um“vor.

- VON BIRGIT MARSCHALL FOTO: AP

In der Union wächst angesichts rückläufig­er Umfrageerg­ebnisse von CDU und CSU die Nervosität. Das zeigt sich auch an den Auseinande­rsetzungen über die künftige politische Ausrichtun­g. Die CSU, die vor der Landtagswa­hl im Oktober um die absolute Mehrheit in Bayern bangt, attackiert­e die liberal-konservati­ve Mitglieder­initiative „Union der Mitte“. Auch der Thüringer CDU-Vorsitzend­e Mike Mohring hatte seine Partei in einem Gespräch mit unserer Redaktion vor einer Zersplitte­rung gewarnt. „Wir sind an der Schwelle, an der die Gefahr besteht, dass wir den Status der Volksparte­i verlieren“, sagte Mohring. Die „Zerfaserun­g“der Union in ein linkes und rechtes Lager durch eine „Union der Mitte“einerseits und andere Gruppierun­gen wie etwa die„Werte-Union“anderersei­ts nütze der CDU nichts.

Der erbitterte Streit zwischen CSU-Chef Horst Seehofer und der CDU-Vorsitzend­en, Bundeskanz­lerin Angela Merkel, über die Asylpoliti­k in den vergangene­n Jahren hinterläss­t zunehmend Spuren. Zudem sucht die Union nach Antworten auf die Frage, wie sie auf den Erfolg der rechtskons­ervativen AfD reagieren soll. An die Rechtspopu­lis- ten hat die Union bereits viele Anhänger verloren. Erstmals seit 2006 fiel die Union in einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Emnid für die „Bild am Sonntag“unter die 30-Prozent-Marke. Sie erreichte bei der„Sonntagsfr­age“nur noch 29 Prozent, verlor damit einen Prozentpun­kt gegenüber derVorwoch­e.

Die SPD, die ebenfalls innerparte­ilich zerstritte­n ist und dorht, den Status der Volksparte­i zu verlieren, konnte von der Schwäche der Union nicht profitiere­n und sank um einen Punkt auf 18 Prozent. Die AfD lag unveränder­t mit 15 Prozent auf Platz drei. Die Grünen hingegen konnten sich um zwei Prozentpun­kte auf ihren Jahreshöch­stwert von 14 Prozent verbessern. Die Linke (zehn Prozent) und die FDP (neun Prozent) blieben unveränder­t.

Die„Union der Mitte“ist eine Mitglieder­initiative aus liberal-konservati­ven CDU- und CSU-Mitglieder­n, die sich insbesonde­re nach dem jüngsten Asylstreit zwischen Merkel und der CSU-Spitze gegen einen angebliche­n Rechtsruck der Union wenden. In den vergangene­n Wochen ist die Zahl der Unterstütz­er bei Facebook auf rund 3000 angewachse­n.

Die CSU sieht die Strömung offenbar als Gefahr. In einem Brief der CSU-Landesleit­ung an den Gründer der Initiative, Stephan Bloch, wirft CSU-Generalsek­retär Markus Blume der„Union der Mitte“laut„Spiegel“„Abspaltung und Sektierert­um“ vor. Es heißt, die Initative sei ein grober Verstoß gegen die Parteistat­uten. Neue Vereinigun­gen innerhalb der CSU seien nur mit Zustimmung des Vorstands erlaubt. Bloch solle seine Aktivitäte­n unverzügli­ch einstellen. Gern könne er sich aber in einer der „satzungsmä­ßig legitimier­ten Gliederung­en“einbringen.

Merkel, die die CDU in den vergangene­n Jahren nach links steuerte, hatte die liberal-konservati­ve neue Mitglieder-Plattform zunächst begrüßt. Dass unabhängig von der Parteispit­ze unterschie­dliche Gruppierun­gen entstehen, die sich noch dazu gegenseiti­g attackiere­n, lässt Parteiführ­ung und Merkel-Unterstütz­er aber offenbar nicht kalt. Nach Informatio­nen des „Spiegel“ will CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r das Thema der Fragmentie­rung der Union in einer Sitzung des Bundesvors­tands am 20. August ansprechen. Die CDU solle die rivalisier­enden Fraktionen nicht bremsen, aber sie für überflüssi­g erklären. Dem Vernehmen nach wünscht sich die CDU-Generalsek­retärin auch einen Appell der Parteiführ­ung an die Basisbeweg­ungen, ihren Umgangston zu mäßigen.

Die „Union der Mitte“bekommt vor allem deshalb Zuspruch, weil auf der anderen Seite unter dem Titel „Werte-Union“eine Gruppe Rechtskons­ervativer versucht, die Union nach rechts zu rücken. Linke Unionspoli­tiker werfen den Konservati­ven vor, die AfD kopieren zu wollen. Die Gruppe der Konservati­ven, darunter Vertreter des sogenannte­n Berliner Kreises, hatten sich im Asylstreit klar an die Seite Seehofers und gegen Merkel gestellt. Seehofer hatte Einreisen von Migranten durch einen nationalen Alleingang stoppen wollen, Merkel setzte auf eine europäisch­e Lösung. Die Kanzlerin hatte den Streit vorerst für sich entschiede­n.

Unterdesse­n schloss sich FDPChef Christian Lindner der Kritik an derWortwah­l Seehofers oder von Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) in dem Streit an. Lindner warf „Inhabern höchster Staatsämte­r“vor, „Pegida-Vokabular“zu verwenden. Dadurch verrohe die politische Kultur. „Wir laufen Gefahr, in einer verprollte­n, vertrumpte­n Demokratie zu leben“, sagte Lindner der „Bild am Sonntag“. Er machte außerdem Angela Merkel für einen politische­n Stillstand verantwort­lich und forderte eine Begrenzung der Amtszeiten von Bundeskanz­lern.

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