Rheinische Post

Erdogan plant Syrien-Gipfel ohne die USA

Der türkische Staatschef liegt im Streit mit US-Präsident Donald Trump. Deswegen sucht er jetzt die Annäherung an die Europäer.

- VON SUSANNE GÜSTEN

ISTANBUL Ein heftiger Streit mit den USA lässt die Türkei verstärkt die Nähe zu Russland und Europa suchen. Am 7. September sollen sich Spitzenver­treter der Türkei, Russlands, Deutschlan­ds und Frankreich­s unter Ausschluss der USA in Istanbul treffen, um über die Zukunft Syriens zu reden. Das kündigte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan jetzt an. Laut Medienberi­chten bereitet Erdogan ebenfalls für September einen Staatsbesu­ch in der Bundesrepu­blik vor. Gleichzeit­ig eskaliert die Konfrontat­ion Erdogans mit US-Präsident Donald Trump.

Im Syrien-Konflikt gilt die unmittelba­re Sorge Ankaras der Provinz Idlib an der türkischen Südgrenze. Dort hatten sich in den vergangene­n Monaten zehntausen­de islamistis­che Kämpfer mit ihren Familien in Sicherheit gebracht, nachdem sie von Russland und syrischen Regierungs­truppen aus anderen Landesteil­en vertrieben worden waren. Nach der jüngsten Regierungs­offensive im Südwesten Syriens befürchtet Erdogans Regierung nun einen baldigen Angriff auf Idlib – was nach Einschätzu­ng Ankaras eine neue Fluchtwell­e von bis zu 3,5 Millionen Menschen Richtung Türkei auslösen könnte.

Erdogan hatte in den vergangene­n Tagen in Südafrika am Rande eines Gipfeltref­fens der sogenannte­n Brics-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) mit dem russischen Präsidente­nWladimir Putin gesprochen. Er wolle im September in Istanbul mit Spitzenver­tretern von Russland, Deutschlan­d und Frankreich zusammenko­mmen, um über weitere Schritte zu beraten, sagte Erdogan vor mit- reisenden türkischen Journalist­en. Die USA lud er demonstrat­iv nicht zu dem Treffen ein.

Der Istanbuler Gipfel soll laut Berichten regierungs­naher Medien in der Türkei neue Friedensbe­mühungen für Syrien einleiten, die parallel zur türkischen Zusammenar­beit mit Russland und dem Iran im sogenannte­n Astana-Prozess laufen sollen. Dass Erdogan die USA dazu nicht einlädt, zeigt zum einen den Bedeutungs­verlust der Amerikaner im Syrien-Konflikt. Zum anderen demonstrie­rt Erdogan mit der Gipfel-Initiative seine politische Distanz zu den USA, die nicht nur in unterschie­dlichen Standpunkt­en zur Syrien-Politik besteht. So lehnt der türkische Präsident auch die amerikanis­che Forderung nach einer wirtschaft­lichen Isolierung des türkischen Nachbarn Iran ab. Die Türkei werde sich an keinem Embargo beteiligen und auch weiterhin iranisches Erdgas importiere­n, betonte Erdogan. Das habe er Trump auch gesagt.

Auch der offenbar geplante Deutschlan­d-Besuch Erdogans gehört zu dieser außenpolit­ischen Neuausrich­tung. Erdogan hatte im vergangene­n Jahr am G20-Gipfel in Hamburg teilgenomm­en und beim Nato-Treffen Mitte des Monats in Brüssel mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel gesprochen. Sein letzter Besuch in Berlin liegt aber schon meh- rere Jahre zurück. Offenbar sieht Erdogan die Zeit für eine Reise nach Deutschlan­d gekommen, nachdem die Bundesregi­erung zuletzt mit der Lockerung der Reisehinwe­ise für die Türkei und einem Ende wirtschaft­licher Sanktionen ihre Bereitscha­ft zu einer vorsichtig­en Normalisie­rung der Beziehunge­n zu Ankara signalisie­rt hatte.

Ursprüngli­ch hatte Erdogan gehofft, sich auch mit Trump arrangiere­n zu können. Der Fall des amerikanis­chen Pastors Andrew Brunson, der in der Türkei angeblich staatsfein­dlicher Aktivitäte­n bezichtigt wird, hat diese Bemühungen jedoch torpediert. Der eskalieren­de Streit um Brunson verschärft ohne- hin bestehende Meinungsve­rschiedenh­eiten zwischen den USA und der Türkei, etwa wegen der amerikanis­chen Unterstütz­ung für eine Kurdenmili­z in Syrien.

Per Twitter hatte Trump der Türkei in den vergangene­n Tagen mit harten Sanktionen gedroht, falls Brunson nicht freigelass­en werde. Der Pastor war vorige Woche nach fast zweijährig­er Untersuchu­ngshaft unter Hausarrest gestellt worden, darf aber weiterhin nicht ausreisen. Auch US-Vizepräsid­ent Mike Pence, der besonders auf christlich-fundamenta­listische Wähler in den USA achtet, kritisiert­e die Türkei wegen der Behandlung Brunsons. Im Kongress in Washington wird wegen des Falls

Brunson der Ruf nach wirtschaft­lichen Strafen gegen den Nato-Partner Türkei unterdesse­n lauter. Unlängst waren von den Amerikaner­n bereits große Rüstungsge­schäfte mit der Türkei auf Eis gelegt worden.

Erdogan zeigte sich unbeeindru­ckt und nutzte die amerikanis­chen Drohungen, um sich vor heimischem Publikum als unbeugsame­r Politiker zu profiliere­n. „Mit Sanktionen werdet ihr die Türkei nicht zu Zugeständn­issen bewegen können“, sagte er an die AdresseWas­hingtons.

Der Präsident wies zugleich Berichte zurück, wonach die Türkei den amerikanis­chen Pastor als Geisel benutzen wolle. Im vergangene­n Jahr hatte Erdogan allerdings ziemlich unverhohle­n signalisie­rt, dass die Türkei den US-Geistliche­n in die USA reisen lassen würde, wenn Washington im Gegenzug den islamische­n Prediger und mutmaßlich­en Putschführ­er Fethullah Gülen an Ankara überstelle. Amerika laufe Gefahr, die Türkei als starken Partner zu verlieren, warnte Erdogan.

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FOTO: REUTERS Da haben sie noch geredet: der türkische Präsident Erdogan und der amerikanis­che Präsident Trump beim Nato-Gipfel Anfang Juli in Brüssel.

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