Winterkorn wegen Steuerhinterziehung unter Verdacht
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen den früheren VW-Chef. Sein Anwalt droht mit einer Anzeige.
WOLFSBURG (dpa) Als ob die bisherigen Vorwürfe gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn nicht schon genug wären, taucht nun ein weiterer Verdacht in den Ermittlungsakten auf: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen womöglich nicht bezahlter Steuern. Die „Bild am Sonntag“zitiert aus den Akten, es geht unter anderem um Überweisungen von insgesamt rund zehn Millionen Euro auf Schweizer Konten in den vergangenen beiden Jahren. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig sagt:„Wir werden uns nach dem Abschluss der Ermittlungen zu den Ergebnissen äußern, vorher nicht.“
Doch was haben Steuerermittlungen mit den Vorwürfen im Abgasskandal zu tun? Nichts, sagtWinterkorns Anwalt Felix Dörr. Er prüft nun juristische Schritte gegen die Staatsanwaltschaft Braunschweig. Angaben über die persönlichenVermögensverhältnisse und Steuerfragen hätten nichts in den Akten zu den Abgas-Ermittlungen zu suchen. „Detaillierte Kreditkarten-Abrech- nungen, Kontoauszüge und Bankvollmachten von Herrn Winterkorn liegen nun auf den Schreibtischen von 39 Anwälten anderer Beschuldigter der Abgas-Ermittlungen. Dabei haben die privaten Vermögensverhältnisse von Herrn Winterkorn nichts mit dem Verfahren zu tun“, sagt der Anwalt.
Das Steuerverfahren begann 2017 mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München wegen des Verdachts auf Geldwäsche. Sie bekam einen Hinweis vonWinterkorns Bank. Ein normaler Vorgang, bei hohen Überweisungen sind Geldinstitute sogar verpflichtet. Da die Ermittler einen Zusammenhang mit dem Dieselskandal vermuteten, übernahm die Staatsanwaltschaft Braunschweig den Vorgang und fügte die fünf Steuer-Aktenordner zu den Diesel-Akten hinzu.
In den Diesel-Ermittlungsakten ist nun zu lesen, was mit Winterkorns Millionen geschah. 2016 und 2017 hatte Winterkorn hohe Beträge von einem seiner Konten bei der Sparda Bank Nürnberg auf ein Treuhandkonto seines Steuerberaters überwiesen. Von dort floss das Geld in Depots der Bank Vontobel nach Zürich. Darunter war auch ein Depot, dasWinterkorns Ehefrau zugeordnet wurde. Die Ermittler hegen denVerdacht, dass ein Teil der Überweisungen eine Schenkung gewesen sei, für die mehr als eine halbe Million Euro Schenkungssteuer angefallen wäre.
In einem Vermerk hat die Staatsanwaltschaft festgehalten, dass Winterkorn vermutlichVermögenswerte in die Schweiz verschoben habe.„In den Akten ist die Notiz zu finden, es könne sich um einen Notgroschen Winterkorns handeln. Das ist absoluter Blödsinn“, sagt Anwalt Dörr. Angesichts der Dieselaffäre drohen Winterkorn hohe Schadensersatzansprüche von VW, sollten ihm Pflichtverletzungen nachgewiesen werden.
Zu den steuerrechtlichen Vorwürfen sagt Anwalt Dörr, es sei die höchstpersönliche Entscheidung von Winterkorn, wo und durch wen er sein Geld verwalten lasse. Ein Geldtransfer von einer deutschen Bank in die Schweiz sei rechtlich völlig in Ordnung. Die Bank Vontobel betonte am Sonntag, sie beachte alle gesetzlichen Regelungen. Die Schweizer Gesetze erlaubten es ihr nicht, Kontoverbindungen zu kommentieren.
Im eigentlichen Verfahren, dem Abgasskandal, wird gegen Winterkorn wie auch gegen den neuen VW-Konzernchef Herbert Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch wegen möglicher Marktmanipulation ermittelt, gegen Winterkorn zudem auch wegen Betrugs. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat Dutzende Beschuldigte im Visier. Winterkorn war am 23. September 2015 zurückgetreten, nachdem US-Behörden die Manipulationen aufgedeckt hatten.