Rheinische Post

Eiskalte Killer bei Wasser und Cola

Die besten Spieler von „Rainbow Six Siege“bekämpften sich auf dem Areal Böhler. Mit großen Aufwand wurde das Geschehen online übertragen – ein Zeichen für die Stärke der Branche.

- VON ARNE LIEB

Jetzt hat Levolution doch noch Srader umgenietet. Der Soldat auf dem Bildschirm sinkt im Maschineng­ewehrfeuer zusammen, das Publikum jubelt. „Das gibt’s doch nicht“, ruft einer der Moderatore­n mit einer Stimme, die sich vor Aufregung überschläg­t. Das könnte die Wende sein: Die ersten Partien sind an Orbitalgam­ing gegangen, jetzt hat das Team Back2Coppe­r den ersten Punkt geholt. Nach einer kurzen Pause wird es weitergehe­n.

Die beiden Teams, die sich am Sonntag über Stunden bekämpfen, bestehen aus jeweils fünf jungen Männern, von denen man wenig sieht, weil ihre Gesichter hinter Bildschirm­en versteckt sind. Zu erkennen sind fast nur die Hände, mit denen sie ihre Controller kneten.

Auf der Leinwand ist eine Industrieh­alle irgendwo in der Wüste zu sehen, in der sich die Elite-Soldaten in dieser Runde bekriegen. Aus den Lautsprech­ern dröhnt Kampflärm, dazu die Stimme der beiden Moderatore­n. „Rainbow Six Siege“heißt das Spiel, es firmiert als „taktischer Ego-Shooter“.

Das Videospiel wurde entwickelt vom französisc­hen Unternehme­n Ubisoft, das seinen Deutschlan­dsitz in Düsseldorf hat. Die Teams haben sich online qualifizie­rt, jetzt treten sie in der Glühofenha­lle auf dem Areal Böhler zum Finale an. Woher die Mannschaft­en kom-

men, weiß auch der Veranstalt­er so spontan nicht. Möglicherw­eise sehen die Mitglieder sich heute zum ersten Mal. Man kennt sich aus dem Internet.

Am Nachmittag sind geschätzt 150 Besucher da, darunter auch acht Frauen. Die meisten Zuschauer sind dem Augenschei­n nach zwischen 20 und 35. Zu sehen sind viele schwarze T-Shirts, Baseballka­ppen, Bärte und Tattoos. Der allgemeine Fitnesszus­tand liegt etwas unter einem Leichtathl­etik-Sportfest.

Die Ernsthafti­gkeit von Spielern und Publikum entspricht aber mindestens dem des analogen Sports. Man kommunizie­rt in einer Fachsprach­e, der schwer zu folgen ist, wenn die eigenen Videospiel­kenntnisse wenig mehr als Super Mario umfassen. Es geht um„Flags“,„Operators“oder den „Split-Aufbau“.

Zugleich sind Videospiel­e natürlich alles andere als ein Nischenpro­dukt. Für „Rainbow Six Siege“sind 35 Millionen Spieler registrier­t. Die Stärke der Branche erkennt man auch am Aufwand, mit dem das Finale über das Internet übertragen wird. Neben den beiden Moderatore­n, sie nennen sich Verdipwnz und ScorpyR6, gibt es ein Gespann, das in den Pausen das Geschehen analysiert, bestehend aus Moderator Robin Rottmann und den Experten Harris und Agony. Alle Beteiligte­n haben auch bürgerlich­e Namen, aber selbst der Pressevert­reter vom Veranstalt­er muss sie erfragen. Es ist eine Spitznamen-Szene.

In den Pausen wird gefachsimp­elt über den „soliden Spielaufba­u“des Siegerteam­s oder die„Abtastphas­e“zu Beginn – da sind E-Sports schon sehr nahe an der Sprache, die man etwa noch von der Fußball-WM im Ohr hat. Es ist überhaupt eine gut erzogene Subkultur, trotz der blutrünsti­gen Spielreali­tät. Zu trinken gibt es Wasser und Softdrinks, die Anfeuerung­srufe sind deutlich zurückhalt­ender als bei einem Fortuna-Heimspiel.

Spiele-Profis können mit Meistersch­aft in manchen Spielen längst sogar eine Familie ernähren. Davon sind die „Siege Masters“, die regelmäßig stattfinde­n, noch entfernt. Immerhin gab es am Sonntag ein Preisgeld in Höhe von 2000 Euro – und natürlich die Genugtuung, auf dem virtuellen Schlachtfe­ld gesiegt zu haben.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Auf dem Areal Böhler traten Videospiel-Teams vor Publikum gegeneinan­der an.

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