Schwere Zeiten für Thyssenkrupp-Chef
Der Konzern will seine Einzelsparten effizienter machen. Interimschef Guido Kerkhoff hält aber an der bisherigen Struktur fest. Seine erste Quartalsbilanz ist negativ ausgefallen. Probleme macht vor allem die Industriesparte.
ESSEN Er ist kaum in seinem neuen Amt als Chef von Thyssenkrupp angekommen, da sieht sich Guido Kerkhoff schon mit negativen Zahlern konfrontiert. Die erste Ergolgsrechnung ist in Rot gehalten. Unter dem Strich sind in den vergangenen drei Monaten Verluste in Höhe von 131 Millionen Euro angefallen. „Die aktuellen Ergebnisse stellen uns nicht zufrieden. Da lässt sich nichts schönreden“, sagte Kerkhoff am Donnerstag.
Zugleich kündigte er Veränderungen an. Kerkhoff hat hat Renditevorgaben für die einzelnen Sparten festgelegt. So will Thyssenkrupp bis 2020 den jährlichen Mittelzufluss auf mindestens eine Milliarde Euro steigern. In der Verwaltung habe man die Kosten zwar bereits um 20 Prozent senken können, wolle in Zukunft aber noch mehr einsparen, heißt es aus der Konzernzentrale.
Thyssenkrupp befindet sich im Umbau. Dabei gibt es unterschiedliche Ansichten, was das beste Zukunftsrezept angeht. Aus diesem Grund hatte vor Wochen Heinrich Hiesinger als Konzernchef aufgegeben. Wenige Tage später folgte ihm Aufsichtsratschef Ulrich Lehner. Nun hat der frühere Finanzchef Kerkhoff wenigstens übergangsweise die Führung übernommen.
Probleme gibt es vor allem in der Industriesparte – Industrial Solutions. Dort sind etwa der Maschinen- und Anlagenbau oder das Marine-Geschäft aufgehoben. Vor allem dieser Bereich ist es, der Thyssenkrupp das Ergebnis verhagelt hat. So hatte das Unternehmen aus diesem Grund vor wenigen Tagen erst die Jahresprognose für den Konzern gesenkt. Die neue Bewertung einzelner Projekte im Anlagenund Schiffsbau hätten die Korrektur nötig werden lassen. „Die mittelfristigen Ziele können nicht überzeugen“, urteilte der Analyst Sven Diermeier aus dem Analystenhaus Independent Research in Frankfurt über Bilanz und Aussichten. Anleger haben das offenbar ähnlich gesehen – die Aktien waren im Dax gestern die Tagesverlierer.
Dass es bei Thyssenkrupp nicht rund läuft, liegt aber nicht nur an der Industriesparte. Das Unternehmen ist in eine schwere Krise geraten, nachdem die Meinungsverschiedenheiten zwischen der früheren Führung und Großinvestoren nicht mehr zu kitten waren. Hedgefonds wie Elliott oder Cinven würden gerne mindestens Teile des Konzerns ausgliedern, als bestes Beispiel gilt die Aufzugssparte. Denn deren beiden größten europäischen Konkurrenten sind bei vergleichbaren Umsätzen an der Börse mehr wert als Thyssenkrupp insgesamt.
Noch wenige Tage vor seinem Rücktritt hatte Hiesinger das Verschmelzen der Stahlsparte von Thyssenkrupp mit der europäischen Stahlsparte von Tata Steel in trockene Tücher gebracht. Abgesehen davon hielt er aber an der Struktur des Mischkonzerns fest.
Die Investoren erhoffen sich durch eigenständige Unternehmen mehr Rendite für sich nach dem Motto: Das Ganze ist weniger als die Summe seiner Teile. Die Beschäftigten dagegen befürchten, dass bei einer Zerschlagung des Konzerns in seine Einzelteile ein massiver Abbau von Arbeitsplätzen die Folge sein könnte.
Guido Kerkhoff selbst hat jedenfalls noch einmal betont, dass die derzeitige Konzernstruktur im Allgemeinen nicht in Frage steht. Eine Abkehr von der „Konglomeratsstruktur“sei nicht geplant. Er habe vom Aufsichtsrat grünes Licht bekommen, den bisherigen Kurs wie bis auf weiteres fortzusetzen, „mit allen Geschäften unter einem Dach“. Das dürfte die Belegschaft beruhigen in den unruhigen Fahrwässern, in die der Konzern geraten ist.