Bronze, das traurig machen würde
10.000-Meter-Läuferin Alina Reh rückt auf einen Medaillenplatz vor, wenn die Drittplatzierte eine Dopingsperre erhält.
BERLIN Die längste Stadiondistanz muss auch nach 25 Runden nicht zu Ende sein. Für Alina Reh geht das EM-Rennen von Berlin weiter, auch nachdem die 21-jährige Schwäbin als Vierte im Ziel des 10.000-Meter-Rennens angekommen ist. Sie darf hoffen, nachträglich auf den Bronzerang vorzurücken. Weil der vor ihr platzierten Schwedin Meraf Bahta ein Dopingverfahren ins Haus steht.
Reh hatte am Mittwochabend ein Spitzenrennen abgeliefert, war mit kluger Renneinteilung in der zweiten Rennhälfte vom siebten Rang aus in Medaillennähe gelaufen. Allerdings weitgehend unbemerkt von den Fernsehzuschauern, denn gleichzeitig standen die Abschiedsvorstellung von Robert Harting und das Kugelstoßen mit Christina Schwanitz im Fokus der TV-Kameras. „Schade, dass von uns so wenig gezeigt wurde“sagte die Laichingerin, die neben dem Laufsport „zur Abwechslung für den Kopf“in dem von ihrer Mutter geführten Lebensmittelgeschäft arbeitet. Und ergänzte mit ihrem jugendlich schelmischen Lächeln: „Jetzt fragen mich die Kunden im Geschäft womöglich, ob ich überhaupt bei der EM gelaufen bin.“
Mehr Fernsehminuten wären nach ihrem Geschmack gewesen – als Turbo für ihre Vermarktung. Nicht erwünschte Medienaufmerksamkeit dagegen verschaffte dem Lauftalent von der schwäbischen Alb der Bericht der schwedischen Zeitung „Sport“am Donnerstag. Darin wird über einen Dopingverdacht gegen die vor ihr platzierte Bahta berichtet, die dreimal bei unangemeldeten Kontrollen nicht anzutreffen gewesen sein soll. Ihr Fall soll nächste Woche verhandelt werden. Wird Bahta nachträglich gesperrt, würde Reh auf den Bronzerang vorrücken.
„Davon wusste ich gar nichts – und habe mich zurückhaltend geäußert“, sagte Reh unserer Redaktion. Und:„Deshalb bin ich schockiert über das, was da geschrieben steht.“Über Rehs „große Wut“auf Bahta berichtete am Morgen nach dem Rennen das deutsche Online-Portal „Sport1“. Davon war in RehsWorten am Donnerstag keine Spur. Gelassen antwortete sie auf Nachfragen zur Dopingproblematik im Langstreckenlauf. „Wenn ich an der Linie stehe, dann muss ich damit klar- kommen. Ich laufe für mich und für niemand anderes“, sagte sie. „Was die anderen machen, kann ich eh nicht beeinflussen.“
Die Freude würde ihr fehlen, ließ Reh durchblicken, sollte sie nachträglich mit EM-Bronze belohnt werden „Das fände ich eher traurig“, sagt sie. „Weil einem der Moment genommen wird. Im Stadion, und bei der Siegerehrung.“Trotz dieser trüben Gedanken kommt es für sie nicht in Frage, mit dem Laufen aufzuhören.
Was sie antreibt? „Die Luscht am Laufen“, sagt sie und weckt mit ihrem schwäbischen Idiom Erinnerungen an Olympiasieger Dieter Baumann . Ihre Philosophie ist es, „nicht den Saisonhöhepunkt als Ziel zu sehen“:„Man muss sich jeden Tag aufs Training freuen.Wenn man keine Leidenschaft hat, dann ist es hart, im Laufbereich Leistungssport zu machen.“Geweckt hat die Leidenschaft ihre Mutter Silke, eine ehemalige Marathonläuferin. Sie nahm die Tochter stets mit zum Sport. Deshalb habe sie schon die Bambiniläufe mitgemacht. Wahrscheinlich ist sie das erste Talent aus der Volkslaufszene, das es in die internationale Klasse geschafft hat. Häufig hat man schon die Kinder überehrgeiziger Eltern scheitern sehen.
Rehs sportliches Karriereziel? „Eine europäische Medaille – das ist realistisch für die kommenden Jahre.“Sagte sie in Berlin. Vielleicht wird der Traum ja schon deutlich früher wahr. Noch ist ihr EM-Rennen nicht ganz zu Ende.