Blinde Fußballer spielen um den Titel
Beim Endspiel um die deutsche Meisterschaft der Sehbehinderten beeindruckten die Akteure mit Ballgefühl und sportlichen Spitzenleistungen.
„Fussball auf dem Burgplatz in der Altstadt“– was sich vorab wie eine skurrile Idee anhörte, entpuppte sich am Wochenende als spektakuläres Ereignis. So viele Zuschauer kamen. dass die eigens errichtete Tribüne am 20 mal 40 Meter großen Kunstrasen-Spielfeld den ganzen Samstag über mehr als gut gefüllt war.
Die eigentliche Attraktion war aber nicht der ungewöhnliche Spielort zwischen Rhein und Kö, sondern die Leistungen der körperbehinderten Sportler, die dort ihre häufig unglaublichen Fähigkeiten im Spiel mit dem Ball vorführten. Das waren hauptsächlich die stark sehbehinderten oder völlig blinden Akteure, die dort ihren Deutschen Meister ermittelten.
Bevor der Blindenfußball in den Mittelpunkt des Interesses rückte, erlebten die Besucher bereits in einem Einlagespiel der Beinamputierten eine eindrucksvolle Demonstration an fußballerischem Können. DFB-Vizepräsident Peter Frymuth war einer der vielen prominenten Zuschauer, die aus ihrer ehrlichen Bewunderung für die Sportler, die beim Laufen ihr Handicap durch einen häufig artistischen Einsatz ihrer beiden Gehstützen wettmachen, kein Hehl machten: „So mancher nicht behinderter Fußballer hätte da Schwierigkeiten mitzukommen. Die Behinderten demonstrieren hier, dass der Fußball alle Menschen begeistert“, meinte er. Kabarettist Dieter Nuhr, selbst früher als Fußbal- ler unterwegs, gab freimütig zu: „Ich fiele so beim ersten Schussversuch schon hin“.
Die Bewunderung ringsum für den am Burgplatz gebotenen Sport setzte sich dann nahtlos beim Bundesliga-Endturnier im Blindenfußball fort. In Ländern wie Spanien oder Brasilien (amtierender Weltmeister) gibt es bereits seit vielen Jahren Blindenfußball. „Am besten schließt man für einen Moment die Augen und versucht, ein paar Schrit- te zu gehen. Sie werden merken, wie schwer uns die Orientierung fällt. Umso mehr Respekt muss man vor Menschen haben, die blind Fußball spielen“. So hat der Ehrenspielführer der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft Uwe Seeler den Fußball der sehbehinderten und blinden Menschen gewürdigt.
Um für die behinderten Akteure einer Partie gleiche Bedingungen zu schaffen, wird für die Spieler, die noch eine Restsehfähigkeit haben, mit Dunkelbrillen künstlich „Vollblindheit“geschaffen, auch die Augen werden zugeklebt. Sehen darf im Team nur einer: der Tormann. Die 20-jährige Katharina, die ohne weiteres im Herrenteam aus Marburg mitspielen kann, unterzieht sich dieser Prozedur geduldig. „Ich habe bis vor zwei Jahren beim 1. FC Nürnberg gespielt und bin dann praktisch über Nacht fast erblindet“, beschreibt sie ihr Schicksal.
Blinde Fußballer spielen nach Ge- hör. Zur Orientierung sind im Ball Rasseln eingebaut, nach dessen Geräuschen sich orientiert wird. Die Zuschauer werden deshalb um absolute Ruhe während der Spiele gebeten. Auf dem Feld rufen die Spieler ständig. Ungewohnt ist auf dem Spielfeld das spanische Wort „Voy“(„ich komme“). Dadurch wollen sie Mitspieler und Gegner vor Zusammenstößen warnen.
Eine genauso so wichtige Besonderheit erklärte die junge Zoe vom SG Blista Marburg: „Ich bin als Guide dabei, das heißt, ich stehe hinter dem Tor und versuche, den Angreifern durch Zurufe und Geräusche zu übermitteln, wo genau das Tor steht.“Das machte sie im Spiel gegen Schalke 04 schon nach ein paar Minuten durch das Schlagen an den rechten Torpfosten goldrichtig, denn Marburgs Stürmer Taime Kuttig traf genau dorthin zum 1:0.