Rheinische Post

Sport gegen Krebs

Studien zeigen: Bewegung verbessert die Prognose und das Wohlbefind­en von Krebspatie­nten. Sport hilft auch, Tumorkrank­heiten vorzubeuge­n.

- VON MICHAEL RUFFERT

FRANKFURT/MAIN (epd) Der Sport hat sie erst nicht geschützt: Anne Martin (Name geändert) ist eine begeistert­e Hobby-Radfahreri­n. Regelmäßig­e Ausfahrten, Gymnastik und lange Touren amWochenen­de gehören zu ihrem Alltag. Die Diagnose traf sie unerwartet: Brustkrebs. „Das war natürlich ein Schock“, sagt die 56-Jährige. Doch sie bleibt sportlich: Während der Chemothera­pie und auch nach der Operation fährt sie weiter mit dem Rad rund 100 Kilometern in derWoche. Sie fühlt sich dabei wohl – und ihre Blutwerte bleiben erstaunlic­h stabil. „Eine Ärztin hat mir gesagt, sie hätte selten eine Patientin erlebt, die die Chemothera­pie so gut vertragen hat“, berichtet Anne Martin. Eine Erfahrung, die inzwischen auch zahlreiche wissenscha­ftliche Studien belegen.

„Wer sich viel bewegt, kommt körperlich und psychisch besser durch die Therapie“, sagt Friederike Rosenberge­r, Sportwisse­nschaftler­in am „Nationalen Centrum für Tumorerkra­nkungen“am Universitä­tsklinikum Heidelberg. Die Patienten fühlten sich seelisch besser, seien belastbare­r, leistungsf­ähiger und weniger erschöpft.„Inzwischen weisen immer mehr Studien daraufhin, dass Sport und Bewegung nach der Diagnose die Gefahr eines Rückfalles vermindern und die Heilungsch­ancen verbessern.“

Krebs ist noch immer eine der gefährlich­sten Krankheite­n: 2014 erkrankten in Deutschlan­d nach Angaben des Krebsinfor­mations- dienstes 476.120 Menschen daran, 2018 könnte die Zahl bis auf 493.000 wachsen. Grund ist die gestiegene Lebenserwa­rtung. Doch Krebs ist längst kein Todesurtei­l mehr: Fortschrit­te in Therapie und der Diagnostik führen dazu, dass immer mehr Menschen geheilt werden. Jeder zweite Krebspatie­nt überlebt – wobei die Zahlen nach Art der Krebserkra­nkung stark schwanken.

Dabei spielt Sport nicht nur in der Therapie, sondern vor allem in der Prävention eine große Rolle. Er verhindert nicht immer den Ausbruch von Krebs, wie das Beispiel von Anne Martin zeigt.„Aber nach neuen Studien kann das Risiko, an Krebs zu erkranken, durch Sport und Bewe- gung um 20 bis 30 Prozent gesenkt werden“, sagt Michael Schoenberg, Münchener Professor und Autor des Buches „Aktiv leben gegen Krebs“. Zwar gelte das nicht für alle Krebsarten und in verschiede­nem Ausmaß, aber die Tendenz sei eindeutig. Für bereits Erkrankte erhöhe sich die Lebensqual­ität, und die Überlebens­prognose steige auch deutlich.

Warum Sport das Krebsrisik­o senkt und die Heilungsch­ancen erhöht, ist nicht abschließe­nd geklärt: „Der Stoffwechs­el wird angeregt, insbesonde­re beim Insulin“, erläutert Schoenberg. Zudem gebe es Hinweise, dass durch Sport bestimmte Gene aktiver werden, die auf das Immunsyste­m und Entzündung­sprozesse wirken. Schoenberg ist überzeugt: „Bewegung wirkt wie ein Medikament“. Dabei müsse es nicht intensiver Sport sein. Wichtig sei einfach, dass sich die Betroffene­n bewegten. „Eine 65-Jährige Krebs-Patientin hat sich nach der OP einen Schreberga­rten zugelegt“, berichtet er, „die Arbeit draußen und die Aktivitäte­n an der frischen Luft haben ihr gut getan.“

Welche Art der Bewegung für die Patienten richtig ist, muss individuel­l festgelegt werden. Friederike Rosenberge­r entwickelt Trainingsp­rogramme für Patienten und forscht, wie die Sport- und Bewegungst­herapien bei Krebs wirken. Dabei wird eng mit Physiother­apeuten und Psychologe­n zusammen gearbeitet. „Generell gilt, dass sich das Training etwas anstrengen­d anfühlen soll“, erläutert sie. Wer unsicher sei, sollte eine sportwisse­nschaftlic­he Beratung in Anspruch nehmen.

Stefanie Rogge gibt solche Kurse. Die Sportwisse­nschaftler­in hat in den USA eine Ausbildung zur Krebssport­therapeuti­n absolviert und betreut Patienten in Frankfurt am Main. In ihren Kursen werden gymnastisc­he Übungen für Kraft und Beweglichk­eit gemacht, aber auch die Ausdauer wird trainiert. „Fast alle Patienten berichten mir, dass sie sich durchs Training fitter und ausgeglich­ener fühlen“, erzählt Rogge. Sie rät den Teilnehmer­n, auch zu Hause aktiv zu bleiben, regelmäßig Ausdauersp­ort zu betreiben und auch Kraft und Koordinati­on zu trainieren.

Trotz der positiven Effekte spielt Sport in der Krebsthera­pie bislang noch eine untergeord­nete Rolle. Allenfalls in der Reha nach der Behandlung finden sportliche Aktivitäte­n statt. „Besser wäre es, bereits nach der Diagnose mit sportliche­m Training zu beginnen“, sagt Rosenberge­r. Bislang würde eine solche Therapie aber nicht oder nur unzureiche­nd von den Krankenkas­sen übernommen.

Auch Anne Martin hat eine solche sportliche Beratung vermisst. Trotzdem wird sie weiter Sport treiben. „Dann geht es mir einfach besser“, sagt sie. Nach Operation und Chemothera­pie folgt für sie jetzt die Reha. Dort will sie mehr lernen, welche Sportarten für Körper und Seele nach der überstande­nen Krebserkra­nkung gut sind.

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FOTO: GETTY

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