Trauer in „Beechtown“
Im Hambacher Forst hat es ein tragisches Unglück gegeben: Ein Journalist starb beim Sturz von einer Hängebrücke. Die Polizei sagt, er habe eine Speicherkarte austauschen wollen, als er abstürzte. Die Räumung wird vorläufig ausgesetzt.
KERPEN Es ist 15.46 Uhr, als der Internetblog „Hambi bleibt!“am Mittwochnachmittag meldet, dass im Hambacher Forst ein Mensch von einem Querbalken gefallen ist. Die Situation sei unklar. An der Unfallstelle habe erst Tumult geherrscht, dann großes Schweigen und Trauer, heißt es in dem Blog. Gegen 17.45 Uhr steht fest: Der Mann hat den Sturz von einer Hängebrücke aus etwa 15 Meter Höhe nicht überlebt. „Er hat dabei tödliche Verletzungen erlitten“, sagt ein Polizeisprecher. Man bedauere den tragischen Unfall. Der Journalist habe gerade seine volle Speicherkarte austauschen wollen, als er abstürzte.
„Wir können jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“
Herbert Reul NRW-Innenminister
Bei dem Mann handele es sich laut Polizei „mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Journalisten“. Zum Zeitpunkt des Unglücks hätten in der Nähe der Unfallstelle keine polizeilichen Maßnahmen stattgefunden. Der Mann sei aus größerer Höhe von einerVerbindungsbrücke nahe eines Baumhauses im Camp „Beech-Town“(Buchenstadt) abgestürzt, sagte ein Polizeisprecher. Sofort herbeigeeilte Rettungs- und Polizeikräfte hätten noch erste Hilfe geleistet, ihn aber nicht mehr retten können. Alle Räumungsarbeiten im Wald seien sofort eingestellt worden. Lediglich eine Rettungsmaßnahme in einem neu entdeckten Erdschacht sei weitergelaufen.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) reagierte schockiert auf die Nachricht. Er sprach den Angehörigen und Freunden des Toten sein Mitgefühl aus. Jetzt gelte es inne zu halten. Es sei jetzt nicht die Zeit für politische Auseinandersetzungen. „Vor dem Hintergrund dieses schlimmen Ereignisses haben wir als Landesregierung beschlossen, bis auf Weiteres die Räumung auf dem Gelände auszusetzen“, sagte Reul am Mittwochabend. „Wir können jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“Auch die Ermittler an der Unglücksstelle, die den Fall genau untersuchen, bräuchten die nötige Zeit und Ruhe.
Neben der Staatsanwaltschaft werde auch eine „fremde Polizei“das Unglück untersuchen, nämlich die Tatortgruppe des Polizeipräsidiums Mönchengladbach. „So etwas macht nie die eigene Behörde“, erklärte Reul. Zudem appellierte der Minister an alle, die etwas mit dem Hambacher Forst zu tun haben, nun endlich die Gefahr zur Kenntnis zu nehmen. Das hieße, sich von dem Gelände fernzuhalten, nicht auf die Bäume zu klettern, nicht in die Häuser zu gehen. „Das ist eine Bitte, die ich habe. Ich hoffe, sie hat eine Chance. Denn eigentlich müsste so ein Ereignis alle nachdenklich machen.“
Der Verunglückte hatte in einem Blog über die Räumung des Hambacher Forstes berichtet und soll in der Besetzerszene bekannt gewesen sein. Er sei ein Freund gewe-
sen, der „uns seit längerer Zeit im Wald journalistisch begleitet“, twitterte das Aktionsbündnis „Hambacher Forst“. Und weiter: „Zu dem Zeitpunkt wurde von der Polizei und RWE versucht, das Baumhausdorf zu räumen. Das SEK war gerade dabei, einen Aktivisten in der Nähe der Hängebrücke festzunehmen. Der Mensch (gemeint ist derVerun- glückte, Anm. d Red.) war anscheinend auf demWeg dorthin.“Die Polizei betonte daraufhin noch einmal, dass dieser Unglücksfall in keinem Zusammenhang mit der Räumung der Baumhäuser gestanden habe.
Im Forst wurde am frühen Abend bei einer Mahnwache des Toten gedacht. Man sei zutiefst erschüttert, so die Aktivisten. Ihre Gedanken und Wünsche seien bei ihm. Sie sprachen den Angehörigen ihr Mitgefühl und Beileid aus. „Es ist sehr emotional alles, wir helfen und unterstützen uns gerade gegenseitig, so gut es geht“, sagte ein Mann an der Mahnwache.
Das Aktionsbündnis hatte nach dem Unglück erneut einen sofortigen Stopp der Räumung gefordert. „Wir fordern die Polizei und RWE auf, den Wald sofort zu verlassen und diesen gefährlichen Einsatz zu stoppen. Es dürfen keine weiteren Menschenleben gefährdet werden“, schrieb die Initiative in ihrem Blog.
RWE teilte nach dem Unfall mit: „Wir sind zutiefst erschüttert und bedauern den tragischen Unfall im Hambacher Forst sehr. Wir sind in Gedanken bei den Angehörigen des Verstorbenen.“